DGB 06 - Gefallene Engel
Rauch bestehen. Als ihm klar wurde, dass er noch immer Amadis' Pistole in
der Hand hielt, deren innere Mechanik vor seinen Augen bloßgelegt war, lächelte
er versonnen. Er presste die Waffe gegen das Herz des Löwen, dann drückte er
ab.
Als die Bestie starb, kehrte
die Realität brutal zurück.
Zahariels Hand steckte einfach
in der Brust der Kreatur, als wären sie miteinander verwachsen. Die Kiefer schlugen
zusammen und trafen auf seine Schulterschützer, die Säbelzähne bohrten sich
durch die Panzerplatten und gruben sich in seinen Körper.
Kaum war das geschehen, wurde
die Brust des Löwen durch eine Serie innerer Detonationen nach außen gewölbt.
Feuer flammte hinter seinen Augen auf, und als die Geschosse aus dem Leib der
Kreatur jagten, wurden die Flanken in Fetzen gerissen.
Der Leib explodierte in einem
Regen aus Eingeweiden, dann brach das Tier zusammen und zog Zahariel mit sich
zu Boden.
Der stöhnte vor Schmerz, da das
ungeheure Gewicht der Kreatur auf ihm lastete. Seine Schulter brannte, denn die
Säbelzähne hatten Fleisch und Muskeln durchbohrt. Jede Faser in seinem Körper
schmerzte. Er kniff die Augen zu und biss sich auf die Unterlippe, während er
sich gegen den toten Löwen stemmte, um ihn auf die Seite zu rollen. Seine
Lungen verzehrten sich nach Luft, und als sich die gebrochenen Rippen
berührten, stieß er einen gequälten Schrei aus.
Der Schmerz in seiner Schulter
war noch viel unerträglicher, da die Fangzähne noch immer in Rüstung und
Fleisch feststeckten. Er atmete tief durch, ließ die Pistole fallen und legte
seine Hände an den Kopf des Löwen. Die Augen waren tot, doch sein Antlitz besaß
nach wie vor etwas Furchterregendes. Zwar wusste er ohne jeden Zweifel, dass
die Kreatur nicht mehr lebte, dennoch rechnete er insgeheim damit, dass sich
das Maul noch einmal öffnete, um zu vollenden, was es begonnen hatte.
Schnell war besser als
langsamer, entschied er und schrie laut auf, als er den Kopf des Tiers von sich
riss, damit die Fangzähne aus seinem Leib glitten. Aus dieser Falle befreit,
ließ er sich nach hinten sinken.
Blut strömte aus der tiefen
Bisswunde in seiner Schulter, und die nächsten Minuten verbrachte er damit, die
Panzerplatten seiner Rüstung zu entfernen und die Verletzung zu versorgen.
Er reinigte alle Wunden, so gut
er es mit dem Material in den Satteltaschen seines niedergemetzelten Pferds
vermochte, dann legte er Verbände an.
Merkwürdigerweise schienen die
Schmerzen bereits nach-zulassen, aber er wusste, dass es nur am Schock lag.
Schon bald würden sie sich wieder regen, stärker als zuvor. Als er alles für
seinen armen ramponierten Körper getan hatte, was hier und jetzt möglich war, sank
er erschöpft auf die Knie und nahm sich endlich einen Moment Zeit, um darüber
nachzudenken, wie er die Bestie besiegt hatte.
Welche eigenartige Macht hatte
es ihm ermöglicht, den Löwen auf diese Art zu sehen? Gab es einen Zusammenhang
mit seinem Ritt in den Wald? War es dessen Nachwirkung gewesen? War ihm diese
Fähigkeit von den Wächtern mit auf den Weg gegeben worden?
Oder steckte etwas Düstereres
dahinter?
War das der Makel, von dem sie
gesprochen hatten?
Was auch dahinterstecken
mochte, er konnte es sich nicht erklären. Diese völlige Ratlosigkeit ängstigte
ihn mehr als der Löwe. Was es auch war, das diese eigenartige Macht
hervorgerufen hatte, so stand doch eines für ihn fest: Niemandem würde er ein
Wort darüber sagen. In früheren Zeiten hatte man auf Caliban Menschen schon aus
geringeren Anlässen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, und er hatte keine Lust,
ein solches Ende zu nehmen.
Zahariel stand auf, schwankte
leicht hin und her, dann hob er sein Schwert und die Pistole auf. Es war
üblich, dass ein Anwärter eine Trophäe mitbrachte, wenn er von einer Mission
wie dieser zurückkehrte. Allerdings hatten die Explosionen im Bauch der Kreatur
von ihr nicht viel mehr als einen Berg blutiger Fetzen übrig gelassen.
Er sah sich um und entdeckte
die eine Trophäe, die er nach Endriago und dann nach Aldurukh mitnehmen konnte.
Mit seinem Schwert begab er sich daran, den Kopf des Löwen vom zerfetzten Rumpf
zu trennen. Die Sägezähne machten kurzen Prozess mit den chitinartigen
Panzerplatten, die nach dem Tod des Tiers nicht mehr in Bewegung waren.
Dann hielt er den abgesägten
Löwenkopf hoch und drehte sich zu dem Pfad um, auf dem er vor einer scheinbaren
Ewigkeit hergekommen war.
Obwohl ihm vor Schmerzen und
Blutverlust schwummrig war,
Weitere Kostenlose Bücher