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DGB 12 - Verlorene Söhne

DGB 12 - Verlorene Söhne

Titel: DGB 12 - Verlorene Söhne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham McNeill
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und die gewohnten Wortgefechte wurden mit müden Augen und schwerem
Herzen geführt. Vielleicht litten die Leute nach den Unruhen von vor zwei Wochen
unter einem Massenkater.
    Niemand hatte bislang zufriedenstellend
erklären können, wieso es zu solchen Gewaltausbrüchen auf den Straßen einer
Stadt gekommen war, in der sich seit Jahrhunderten nichts Vergleich-bares
zugetragen hatte.
    Er saß mit Camille auf einer
schmiedeeisernen Bank zwischen der Gordischen Avenue und der Dädalusstraße, beobachtete
die Menschen und tat, als sei alles wie immer — und als würden sie nicht auf
einer Welt leben, die von Kriegern beherrscht wurde, für die sie nichts weiter als
Werkzeuge oder Spielfiguren waren.
    In den zwei Wochen seit
Kallistas Tod hatten er und Camille viel Zeit gemeinsam verbracht, um ihre
Freundin getrauert und versucht, sich mit ihrer gegenwärtigen Situation zu
arrangieren.
    Dazu hatte gehört, dass sie
sich viele Geschichten erzählten, dass sie viel weinten und nach dem Sinn des
Ganzen suchten.
    Unabhängig voneinander waren
sie beide zum gleichen Schluss gekommen.
    »Sie hielt diese Welt für ein
Paradies«, sagte Camille und beobachtete ein Paar, das sich im Schatten des
Occullum bewegte und dabei gekünstelt lachte.
    »Das haben wir alle gedacht«,
entgegnete Lemuel. »Ich wollte keinen Einsatzbefehl erhalten, um den Thousand Sons
zur Verfügung zu stehen. Ich wollte hierbleiben und von Ahriman lernen. Und
jetzt sieh dir an, was daraus geworden ist.«
    »Dich trifft keine Schuld an
Kallis Tod«, versicherte sie ihm und griff nach seiner Hand. »Komm nicht auf
die Idee, so was jemals zu glauben.«
    »Das tue ich auch nicht. Ich
gebe Ahriman die Schuld daran. Er hat zwar nicht selbst an den Reglern gedreht oder
die Kontakte gelöst, aber er wusste, es war falsch, was sie da machten, und er
hat es einfach geschehen lassen.«
    Einen Moment lang betrachteten
sie wieder die Menschen, dann fragte Camille: »Meinst du, er kommt?«
    Lemuel nickte. »Er wird kommen.
Er will das so sehr wie wir.«
    Camille schaute zur Seite, und
er bemerkte das Zögern in ihrer Aura.
    »Wir wollen das doch beide,
oder nicht?«, fragte er.
    »Ja«, kam ihre Antwort etwas zu
schnell.
    »Komm schon. Wir müssen ehrlich
zueinander sein.«
    »Ich weiß, und du hast recht.
Es wird Zeit, aber ... ich ...«
    »Du willst nicht ohne Chaiya
weggehen, richtig?«, führte er den Satz für sie zu Ende.
    »Eigentlich nicht. Hört sich
das für dich verrückt an?«
    »Überhaupt nicht. Ich kann dich
völlig verstehen. Aber ist das, was du hier hast, es wert zu sterben?«
    »Das weiß ich noch nicht«,
sagte Camille und wischte mit den Handballen über ihre Augen. »Ich denke, das hätte
es sein können, aber das hier ist ihre Heimat, und sie will nicht von hier
weggehen.«
    »Ich werde dich nicht zum Gehen
zwingen, aber du hast das Gleiche gesehen wie ich.«
    »Ja, das habe ich nicht
vergessen. Es wird mir zwar das Herz brechen, aber ich habe meinen Entschluss
gefasst.«
    »Braves Mädchen«, sagte Lemuel.
Es ärgerte ihn, dass er so lange gebraucht hatte, um die Wahrheit zu verstehen.
    Mit einem Kopfnicken deutete
Camille in Richtung Dädalus-straße. »Sieht so aus, als ob dein Freund
eingetroffen ist.« Eine von Servitoren getragene Sänfte war in Sichtweite
gekommen und drehte sich zu ihnen um. Die Servitoren waren muskelbepackt und
breitschultrig, sie trugen silberne Helme und karmesinrote Wappenröcke. Die
Menge teilte sich vor der Sänfte, die Servitoren blieben vor Lemuel und Camille
stehen.
    Ein Samtvorhang teilte sich,
dahinter kam Mahavastu Kallimakus zum Vorschein. An der Unterkante der Sänfte glitten
bronzene Stufen nach vorn, auf denen der Schreiber hinunterging, um sich zu den
beiden zu stellen.
    »Ein prachtvolles Transportmittel«,
sagte Lemuel, wider Willen beeindruckt.
    »Eine Zeitvergeudung, die nur
dem Zweck dient, auf meine Bedeutungslosigkeit hinzuweisen«, fauchte Mahavastu
und setzte sich neben Camille auf die Bank. »Sobek bestand darauf, dass ich so
reise, damit ich meine alten Knochen schone.«
    Der altehrwürdige Schreiber
tätschelte Camilles Hand, seine Haut wirkte wie die Borke einer alten Eiche.
»Es tut mir leid, dass Herrin Eris tot ist«, sagte er.
    »Sie war wirklich ein reizendes
Mädchen. Eine echte Tragödie.«
    »Nein, eigentlich nicht«,
widersprach Lemuel. »Eine Tragödie wäre es gewesen, wenn sie durch eigene
Schwäche oder einen Fehler ums Leben gekommen wäre. So dagegen war es nichts
anderes als

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