DGB 12 - Verlorene Söhne
das
einzelne Auge nun wieder grün schimmerte.
Ahriman spürte die gewaltige,
unbegreifliche Macht seines Primarchen, und ihm war bewusst, dass er vor einer
lebenden Sonne stand, deren wunderschöner Gestalt die Kraft zu erschaffen und
zu zerstören gleichermaßen innewohnte.
Magnus' Körper war weniger
Fleisch und Blut als vielmehr Energie und Wille, die von der alten Wissenschaft
des Imperators aneinander gebunden worden waren. Ahriman hatte sich dank der
Hilfe von einigen der vorrangigsten Seher der Legion mit der Substanz des Großen
Ozeans beschäftigt, doch die Macht, von der sein Primarch erfüllt war, stellte
für ihn etwas so Fremdartiges dar, als würde man einem primitiven Wilden ein
Raumschiff zeigen.
»Die Aghoru leben auf einer
Welt, die von ätherischen Winden überzogen wird, und dennoch nehmen sie deren Präsenz
nicht wahr«, führte Magnus aus, während er zur Sonnenscheibe im Zentrum der
Pyramide zurückkehrte. Sein Khopesh-Stab drehte sich in seinem Griff und
beschrieb Muster, die Ahriman sofort als Zeichen einer Beschwörung wiedererkannte.
Außerhalb der trägen Luft des Sanktums hätten sie einen ganzen Schwarm
Schutzgeister herbeigerufen.
»Sie kommen jedes Jahr zu
diesem Berg, dieser Pilgerstätte, um ihre Toten an den Ort zu bringen, an dem
sie zur letzten Ruhe gebettet werden sollen. Sie tragen die Toten ins heilige
Tal und legen sie vor dem Mund des Bergs ab, und immer, wenn sie im Jahr darauf
wieder herkommen, stellen sie fest, dass die Toten aus dem Vorjahr weg sind,
dass der Berg sie >gegessen< hat. Wir können alle fühlen, dass die
Mauern, die diese Welt vom Äther trennen, hier sehr dünn sind. Die Essenz des
Großen Ozeans drängt dagegen, doch auf die Aghoru hat das keinerlei Auswirkung.
Wie kann das sein? Ich weiß es nicht, aber wenn ich dieses Rätsel löse, sind
wir einen Schritt weiter, um unseren Brüdern zu helfen, näher an das Licht im
Herzen des Universums heranzurücken. In diesem Berg steckt Macht, große Macht,
aber auf irgendeine Weise wird sie in ihm zurückgehalten, und die Aghoru wissen
davon nichts, wenn man davon absieht, dass der Berg ihre Toten verspeist. Ich
kann nur hoffen, dass Yatiri dir vergibt, auf heiligen Boden vorge-drungen zu
sein, denn ohne die Hilfe seines Volks werden wir die Geheimnisse dieser Welt
womöglich niemals entschlüsseln.«
Die Begeisterung des Primarchen
für diese Aufgabe war an-steckend, und die Scham, die Ahriman jetzt fühlte, weil
er Magnus' Arbeit in Gefahr gebracht hatte, lastete wie ein erdrückendes
Gewicht auf seinen Schultern.
»Ich werde jede erdenkliche
Wiedergutmachung leisten, die erforderlich ist, Milord«, sagte Ahriman. »Die Sekhmet
ist auf meinen Befehl hin marschiert, und das werde ich Yatiri erklären.«
»Das wird nicht nötig sein«,
entgegnete Magnus, der wieder den Platz in der Mitte eingenommen hatte.
»Ich habe für euch alle eine
andere Aufgabe.«
»Alles, was Sie wünschen,
Milord«, rief Phosis T'kar, die anderen stimmten lautstark zu.
Lächelnd erklärte Magnus: »Wie
stets seid ihr, meine Söhne, für mich ein Quell der Freude. Die Aghoru sind nicht
die Einzigen, die spüren können, dass diese Welt etwas Besonderes ist. Den
Memoratoren, die wir für unsere Expedition ausgewählt haben, ist das auch
bekannt, auch wenn ihr Bewusstsein das noch nicht erkannt hat. Ihr sollt sie
willkommen heißen, euch mit ihnen anfreunden und sie studieren. Wir haben sie
lange genug von uns ferngehalten. Es wird Zeit, ihnen zu zeigen, dass wir uns an
ihre Gegenwart gewöhnt haben. Abgesehen davon glaube ich, der Imperator wird
die Anwesenheit von Memoratoren zur Pflicht machen und Tausende von ihnen losschicken,
um sich überall der Flotte anzuschließen. Bevor dieses Gesetz erlassen wird,
setzt ihr die Maske des Freundes oder des widerwilligen Bewunderers auf, damit
ihr deren Vertrauen gewinnt. Studiert sie, um festzustellen, welche Wirkung
diese Welt auf sie hat. Haltet eure Erkenntnisse in euren Grimoires fest. Wenn
wir uns mit dieser Welt beschäftigen, müssen wir uns auch damit beschäftigten,
welche Effekte sie bei Sterblichen und bei uns selbst hervorruft. Habt ihr
diese Aufgabe verstanden?«
»Ja, Milord«, antwortete Hathor
Maat als Erster, gefolgt von den anderen Hauptleuten, bis nur noch Ahriman
etwas sagen musste.
Er spürte, wie der Blick des
Primarchen auf ihm ruhte, schließlich verbeugte er sich und sagte: »Ich habe
verstanden, Milord.«
»Dann ist dieser Rehahti
vorüber«, erklärte Magnus
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