DGB 12 - Verlorene Söhne
Eris schweißgebadet auf ihrem Feldbett
hochschoss, während die unheimlichen Rufe in ihrem Kopf nur langsam verhallten.
Der Traum von der unbekannten Stadt wich wie ein Nebel von ihren Gedanken,
zurück blieben von der fantastischen Vision nur flüchtige Bilder von glänzenden
Türmen, silberhäutigen Pyramiden und majestätischen Parklandschaften.
Sie stöhnte und legte eine Hand
an die Stirn, da ein pulsierender Kopfschmerz von innen gegen die Schädeldecke
drückte. Dann drehte sie sich zur Seite, um sich auf die Bettkante zu setzen,
und presste die Handfläche gegen die Schläfe, während sie spürte, wie der
Schmerz an Intensität zunahm.
»Nein«, raunte sie. »Nicht
schon wieder. Nicht jetzt.«
Sie stand auf und begab sich
auf wackligen Beinen zur Truhe am Fußende des Betts. Wenn sie die Flasche Sakau
fand, bevor das Feuer in ihrem Gehirn richtig ausbrechen konnte, würde sie sich
hoffentlich eine Nacht voll Schmerzen und Schrecken ersparen.
Plötzlich jagte ein Stich durch
ihren Kopf, und sie sank auf die Knie, wobei sie mit einem erstickten Aufschrei
gegen das Bett fiel.
Kallista kniff die Augen zu, um
gegen den Schmerz anzu-kämpfen, aber weiße Lichter flammten explosionsartig
hinter ihren Lidern auf. Ihr Magen verkrampfte sich, und sie musste sich
zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben, während sich das Zelt um sie herum
zu drehen begann. Das Feuer ergoss sich in ihr und entfesselte eine Flut aus
brennenden Albträumen und Blut.
Als sie gegen diese jüngste
Attacke anzukämpfen versuchte, stockte ihr der Atem. Die Hände hatte sie in die
dünne Decke verkrallt und biss die Zähne zusammen, während sie sich am Bett
entlang in Richtung der Truhe schleppte. Der Schmerz glich einer Bombe, die
mitten in ihrem Gehirn explodiert war. Eine Feuersbrunst jagte über Dendriten
und Synapsen hinweg, um die Schädeldecke von innen zu verbrennen.
Sie riss den Deckel der Truhe
auf und warf die Kleidung und andere persönliche Dinge auf den Boden, während
sie verzweifelt nach der Flasche Sakau suchte. Gut verborgen steckte die in
einem ausgehöhlten Exemplar der Fanfare an die Einheit , einem
fürchterlichen Stück Speichelleckerei, das sich freiwillig niemand bei ihr
borgen wollte.
»Bitte«, keuchte sie und schlug
den Einband auf, dann holte sie eine grüne Flasche mit einer trüben Flüssigkeit
heraus, die noch fast voll war.
Sie setzte sich gerader hin,
während der Rand ihres Gesichtsfelds in einem Wirbel aus flackernden Lichtern —
den verräterischen Vorboten des Feuers — zu verschwimmen begann. Als sie durch
das Zelt zum Schreibtisch hetzte, wo der Krug neben ihren Papieren und
Schreibgeräten stand, zitterte jeder Muskel.
Auf einmal begannen ihre Hände
so sehr zu zucken, dass ihr die Flasche entglitt und auf den Boden fiel.
»Thron, nein!«, rief sie entsetzt,
als sie sah, wie die Flasche aufschlug. Dann jedoch prallte sie vom Boden ab und
blieb ein Stück entfernt unversehrt liegen.
Kallista bückte sich, um sie
aufzuheben, da überkam sie eine Welle aus Übelkeit und Schmerz. Damit war klar,
dass der Sakau nicht mehr würde helfen können. Jetzt gab es nur noch eine
Möglichkeit, das Feuer herauszulassen.
Sie ließ sich auf den
Klappstuhl vor ihrem Schreibtisch fallen, griff mit zitternden Fingern nach
einem messerscharf gespitzten Bleistift, dann zog sie ein Blatt Schmierpapier
zu sich heran. Ganz oben waren hingekritzelte Notizen zu lesen, die die
gestrige unglaubliche Expedition in den Berg betrafen.
Wütend drehte sie das Blatt um,
da das Feuer in ihrem Gehirn sie blind machte und sie die Augen verdrehte, bis nur
noch das Weiße zu sehen war. Das intensive Licht erfüllte jedes Molekül ihres
Körpers mit seiner Kraft, ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei,
während ihre Hand in manischen, verzweifelten Kreisen über das Papier kratzte.
Die Worte strömten aus Kallista
Eris heraus, aber weder konnte sie sie sehen, noch wusste sie, was sie
bedeuteten.
Es war die Hitze, die sie
aufwachen ließ.
Langsam machte Kallista die
Augen auf, da die sengend heiße Sonne von Aghoru ihr Zelt mit gelbem Licht und
erdrückender Hitze erfüllte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ihr
Mund war so ausgetrocknet, als hätte sie seit Tagen keinen Schluck mehr
getrunken.
Sie war an ihrem Schreibtisch
eingeschlafen, in der Hand hielt sie noch einen zerbrochenen Bleistift, vor ihr
auf dem Tisch lagen zahllose Blätter verteilt. Stöhnend hob sie den Kopf von
der Tischplatte.
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