DGB 14 - Ketzerfürst
zu
werden, um die Engel des Imperators begleiten zu dürfen ... durch die Gänge
ihres großartigen eisernen Kriegsschiffs zu spazieren ... den Schweiß und das
Maschinenöl riechen zu können ... und dabei nichts von alledem sehen zu dürfen!
O ja, das war wirklich ein
gelungener Witz.
Die ersten Stunden an Bord
waren für sie besonders strapaziös gewesen, aber zumindest hatte sich da immer irgendetwas
ereignet. Während einer Untersuchung in einem schmerzhaft kalten Raum waren ihr
Nadeln in die Muskeln an Armen und Beinen getrieben worden, und einer der Engel
hatte sich zum Thema der ausgebleichten Retina-Pigmente ebenso geäußert wie zu
der Frage, welche Auswirkungen Unterernährung auf die Organe und die Muskulatur
hatte. Sie hatte versucht, sich auf die Worte des Engels zu konzentrieren, aber
ihre Gedanken waren immer abgeschweift, da sie zu verstehen versuchte, was mit
ihr geschehen war und wo sie sich nun befand.
Die letzten zwei Monate auf der
Oberfläche des Planeten waren für sie schwierig gewesen, hatten die
umherziehenden Banden in den Hügeln rings um die Stadt doch keinen Respekt vor
dem heiligen shuhl- Gewand und vor damit verbundenen Traditionen gehabt.
»Unsere Welt ist nicht mehr«,
hatte einer dieser Banditen lachend erklärt. »Was früher mal war, interessiert
nicht mehr.« Cyrene hatte den Mann nie sehen können, aber wenn sie schlief,
malte sich ihr Verstand aus, wie er ausgesehen haben könnte — ein Mann mit
einem grausamen, verhöhnenden Gesicht.
Während der medizinischen
Untersuchung hatte sie unablässig gezittert, obwohl sie alles versuchte, ihre
Muskeln anzuspannen, damit das Zittern ein Ende nahm. Auf dem von Sonne zu
Sonne segelnden Schiff der Engel war es so kalt, dass sie unwillkürlich mit den
Zähnen klapperte, wenn sie versuchte Worte über die Lippen zu bringen. Es war
so kalt, dass sie sich fragte, ob ihr Atem beim Aushauchen wohl weiße Wölkchen
vor ihrem Mund bildete.
»Verstehen Sie das?«, hatte der
Engel plötzlich gefragt.
»Ja«, hatte sie behauptet. »Ich
verstehe. Vielen Dank, Engel.«
Dann kamen andere Menschen, um
ihr zu helfen. Sie rochen nach würzigem Weihrauch und sprach behutsam und ernst
mit ihr.
Einige Zeit lang gingen sie mit
ihr irgendwohin. Ob es fünf Minuten oder eine halbe Stunde war, vermochte sie
nicht zu sagen, denn ohne ihre Umgebung sehen zu können, erschien ihr alles
unendlich lang zu dauern.
In den Korridoren schien viel
los zu sein. Manchmal vernahm sie das maschinelle Knarren der Gelenke einer Astartes-Rüstung,
wenn einer dieser Krieger ihnen entgegenkam, aber meistens war es das leise
Rascheln von Gewändern.
»Wer sind Sie?«, fragte sie
nach einer Weile.
»Diener«, antwortete ein Mann.
»Wir dienen den Trägern des
Wortes«, ergänzte der andere.
Und dann ging es auch schon
wieder weiter. Die Zeit verstrich, jeder Schritt entsprach einer Sekunde, die
Minuten wurden durch die Stimmen gekennzeichnet, die an ihr vorbeizogen.
»Dies ist Ihr Quartier«, sagte
einer ihrer Begleiter, dann führten sie sie durch den Raum, damit sie mit
zitternden Fingern das Bett, die Wände und den Türöffner ertasten konnte. Eine
Führung durch ihr neues Zuhause. Durch ihre Zelle.
»Vielen Dank«, erwiderte sie.
Der Raum war nicht allzu groß und zudem nur spartanisch eingerichtet. Das hier war
alles andere als komfortabel, aber Cyrene machte sich keine Sorgen, hier allein
zurückgelassen zu werden. Es würde sogar in gewisser Weise sehr angenehm sein.
»Alles Gute«, sagten die beiden
Diener gleichzeitig.
»Warten Sie«, sagte sie. »Wie
heißen Sie?« Die Antwort darauf war das hydraulische Zischen der Tür, die sich automatisch
schloss.
Cyrene setzte sich auf das
Bett. Die Matratze war dünn und hart, kaum bequemer als das, was man einem
Gefangenen zumutete.
Dann begann das Nichtstun, zu
dem sie verdammt war, da sie nichts sah.
Für die einzige Abwechslung in
ihrer tagtäglichen Monotonie sorgte ein Servitor, der ihr jeden Tag drei
Mahlzeiten brachte, die aus einer widerwärtigen, chemischen Paste bestanden.
Dieser Servitor erwies sich als auffallend widerborstig (oder vielleicht auch
nur unfähig), was eine Unterhaltung mit ihr betraf.
»Das ist abscheulich«, merkte
sie einmal zum Essen an und brachte dabei ein schwaches Lächeln zustande. »Darf
ich annehmen, dass es aus etlichen Nährstoffen und anderen gesunden Zutaten
besteht?«
»Ja«, kam die Antwort der
leblos klingenden Stimme.
»Essen Sie das auch?«
»Ja.«
»Das
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