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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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früh hier?«
    Denny nickte zu einem der ungestrichenen Häuser. »Ich wohne jetzt da drüben.« Hinter schmutzigen Scheiben kauerte der sprungbereite Messinglöwe. Der Lampenschirm war fort. Aus der Fassung ragte eine zerbrochene Glühbirne.
    Auf der anderen Straßenseite bewegte sich eine fast ebenso schmutzige Gardine in einem Fenster. Zwei aneinandergepreßte schwarze Gesichter starrten herüber, bis Kid sie direkt ansah. Der Vorhang fiel herab.
    »Du willst, daß dir einer den Schwanz leckt? Komm schon.« Denny hielt sich mit drei Fingern am Rand fest und blickte nach unten. »Ich blas' dir einen.«
    »Huh?«
    Als Denny sich weder bewegte noch irgend etwas sonst von sich gab, lachte Kid. »Hey . . .« Er trat auf den Randstein, schlug sich, Dennys Trommeln imitierend, auf die Schenkel und ging dann wieder auf die Straße. »Machst du Witze . . .?«
    Denny sah hoch. »Nein.«
    »Nun stell dir mal vor, ich nähme dich ernst . . .« sagte Kid und versuchte, es scherzhaft klingen zu lassen, was mißlang. Also sagte er: »Willst du . . .?« Vorgänge, die das Obskure klarmachten, indem das Verdrehte verdreht wurde.
    »Yeah.« Denny kratzte sich zwischen rasselnden Ketten die Brust. »Komm schon. Hol ihn raus. Genau hier, Motherfucker.« Er schüttelte den Kopf. »Ich mach's dir genau hier. Willst du, daß ich's dir zeige, daß ich das ernst meine?«
    Kid blickte zu der Gardine. »Klar, aber diese Nigger. Sie starren da aus dem Scheißfenster.«
    Denny ließ den angehaltenen Atem herauspfeifen. »Ich sagte doch gerade: Es ist mir scheißegal, wenn sie es wissen.«
    Was wie Spaß begonnen hatte, wurde, plötzlich unangenehm, weil alle Handlungen vorhersehbar waren und die Gefühle nicht. »Hey, weißt du, vielleicht lassen wir's besser . . .«
    Denny drehte den Kopf und blickte konzentriert zur Seite - mit einem Ausdruck, dachte Kid, wie jemand beim Go-Spiel, der überlegt, ob ein lange geplanter Zug schließlich doch richtig war.
    »Wir sollten einen Ort finden«, sagte Kid. »Einen Hauseingang oder irgendwie drinnen. Ich will es nicht direkt hier.« Fünfzehn? dachte Kid. Er ist verrückt. Dieser Kleine ist ein verdammter Irrer.
    Denny glitt von dem Scheinwerfer herab und fuhr mit fast allen Fingern in die Gesäßtaschen. »Dann komm mit mir.«
    Kid holte ihn auf der ungestrichenen Treppe ein. »Wohnt Alptraum hier?« Er legte die Hand auf Dennys schmale, warme Schulter.
    Denny blickte sich um. »Hat er mal.« Seine Weste aus grob zugeschnittenem abgestoßenem Leder schwang gegen seine Rippen. »Hier wohnt jetzt ungefähr jeder. Selbst Dreizehn tobt hier manchmal rum. Er tut so, daß du denkst, das hier ist seine neue Wohnung.«
    Kid runzelte die Stirn. »Was . . . war denn mit seiner alten?«
    Auch Denny runzelte die Stirn. »Alle sind irgendwie umgezogen . . .« Er nickte. »Die Kommunekinder sind jetzt auf der anderen Seite des Parks. Drachenlady und ihre Gang wohnen jetzt in diesem Teil von Cumberland. Und Dreizehn konnte in diesem Scheißapartment nicht mehr bleiben . . . Aber du warst da.« Dennys Stirnrunzeln befragte Kids.
    »Warum . . .?« fragte Kid, weil er sich keine Antwort denken konnte.
    »Der Gestank«, antwortete Denny, »das war das eine«, und ging weiter die Treppe hinauf.
    Kid folgte ihm. »Oh, das . . .«, was ihm einleuchtete, aber nicht alle Bewegungen und Neuordnungen während des geraubten Zeitraums erklärte. Sein gesamtes Band der Realität, dem er gefolgt war, hatte sich irgendwie verheddert. Es lief immer noch, er folgte immer noch. Doch in irgendeinem Moment, als er gezwinkert hatte, waren Tage verschwunden, und alles, was rechts war, nach links gewandert. Alles von links war nun auf der rechten Seite. »Hey, als du mich das letzte Mal gesehen hast, wie lange war ich -«
    »Schhhh«, gab Denny zurück. »Sie schlafen alle noch.« Er stieß die Tür auf. »Ich wette, es ist noch nicht mal sechs Uhr früh.«
    Und plötzlich wollte Kid keine Antwort mehr. Anstatt dessen fragte er mit leiserer Stimme: »Und was machst du so früh?«
    »Manchmal stehe ich richtig früh auf.« Denny grinste über die Schulter hinweg nach hinten, während Kid ihm den Flur entlang folgte. »Manchmal schlafe ich auch den ganzen Tag. Hier kann man das machen . . . Und dann bin ich wieder die ganze Nacht auf den Beinen.«
    Dicht neben der Fußleiste flockte schwarzes Haar aus einem Schlafsack. Hinter einem Türeingang lag auf einem Sofa ein nackter Mann, dessen gebräunter, sommersprossiger Rücken über und über

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