Dhalgren
- wie der Anfang hiervon - in winziger, fast unleserlicher Schrift überall an den Rändern Notizen zu machen und habe das hier geschrieben und auf einer Seite ziemlich am Anfang, wo noch Platz war, weitergemacht.
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Ich erinnere mich/und will/das Wollen:
Wenn man sich in das Fahrerhaus eines Lastwagens schwingt, nördlich von Florida, und der Fahrer einen fragt, wie lange man schon am Straßenrand gestanden hat, und Sonnenlicht fällt auf seinen mit Limonensaft befleckten Schoß und deine Jeans, und er spielt im Radio Popmusik, dann ein bißchen Country, dreht dann an den Knöpfen; dein Unterarm brennt auf dem Rand der Tür, dein Haar flattert, und dein Gesicht ist eiskalt, und die Bewegung vereint sich mit der Musik. Dann sitzt man da, atmet einfach, um es zu hören und fährt durch das rote und grüne Land, und die Sonne hängt in den Baumspitzen in leuchtenden Explosionen.
Die Stadt leidet an diesem Mangel.
Aber die meisten/ haben /sind/ so hierhergekommen. (Hier hören die Korrekturzeichen - abgesehen von einem einzigen weiteren - auf. War unser Abschreiber der amateurhaften Wissenschaftlichkeit müde? Was er uns geliefert hat, ist eher frustrierend als hilfreich. Der einfühlsame Leser wird wahrscheinlich wie wir wünschen, daß er eher die letzten als die ersten Seiten mit Anmerkungen versehen hätte. Es gibt im folgenden ein paar Passagen wo selbst diese Versuche mit Alternativen den kompetentesten Vorschlägen vorzuziehen wären. Was die benützten Zeichen angeht: Die Anzeichen, wo der Autor etwas weggelassen hat, verstehen sich von selber; wir können annehmen, daß die Teile in Klammern Vorschläge eines Herausgebers andeuten. Das eingeklammerte Fragezeichen jedoch, mit oder ohne zusätzlichem Wort oder Endung, scheint in mehreren Bedeutungen benützt worden zu sein. Nach vielen Diskussionen können wir nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, daß die Worte zwischen den Schrägstrichen möglicherweise interlineare Hinzufügungen sind; doch selbst bei flüchtigstem Durchsehen merkt man, daß dies nicht auf alle Fälle zutrifft. Während er uns mit genauen Beschreibungen von Heftklammem und Büroklammern heimsucht, unterläßt er es, das Datum und den Briefkopf des Calkins-Briefes mitzuteilen (vielleicht gab es das nicht?). Ebensowenig erwähnt er, ob einige (oder alle) Eintragungen mit der Maschine oder mit der Hand geschrieben wurden. Aus dem Inhalt geht hervor (es ist ein Spiralblock, kein Loseblattnotizbuch), daß es sich um letztere Schreibart handelt. Korrekturen wie: lere (leer?) dortß (dort?) und Banc (Bank?) sprechen für das erstere. Ebenso: »Rose . . . eine braune Faust neben dem Gesicht Kinn . . .« und ein paar Seiten weiter »Die Faust am Kinn . . .« legen nahe, daß es sich um die Rohfassung eines Erzählers handelt, der eine genaue Beschreibung für den einen Charakter gefunden hat, vergißt, daß er den Ausdruck bereits benutzt hat und sie einem zweiten anhängt. Die Kolumnen rechts und links der Seiten, die wir in kleinerer Type abdruk-ken, sind Marginalien (manchmal recht breit), die auf unserem Typoskript etwas schmaler ausfallen; aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um die »Notizen in winziger, fast unleserlicher Schrift überall am Rand« d. h. Eintragungen, die später hinzugefügt wurden als die, die wir in Normalschrift abgedruckt haben. (Wir möchten auch daraufhinweisen, daß die Rubrik, die als Marginalie zur letzten Eintragung abbricht, als Haupteintrag zwei Aufzeichnungen vor diesem weitergeht.) Wenn man bedenkt, wie viele Absätze im Text unkommentiert bleiben, macht uns das editorische Adieu unseren Abschreibers (hier fehlt eine Seite, möglicherweise auch zwei) verwundert, welches wahnsinnige Insiderwissen ihn so überzeugt sein läßt, die letzten und vorletzten Fragmente hätten einmal ein ununterbrochenes, atemloses Ganzes gebildet. Natürlich wissen wir nicht, unter welchem Druck diese Abschrift vorgenommen wurde. Selbst wenn die Beschreibung der Zustände auf den letzten Seiten nur halb der Wahrheit entspräche (und unser Abschreiber wäre etwa der enthusiastische E. Forrest, der in der Stadt arbeitete, gewesen), können wir gut verstehen, daß er die mühselige Arbeit bei den Anfangsseiten zugunsten der schnelleren Fertigstellung aufgegeben hat; wir können uns glücklich schätzen, überhaupt ein Dokument in Händen zu halten. Alles, was wir wissen, ist: Es ist die Kopie einer Abschrift eines im Original handgeschriebenen Notizbuches;
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