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Dhalgren

Dhalgren

Titel: Dhalgren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R Delany
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bereit am Rand des Picknicktisches (wie es immer bei Alptraum war). Und er trug sehr hoch angesetzte Khakihosen, ein Khakihemd (Armee? Marine? Ich glaube nicht) und orangene Stiefel - Hemd, Hose und Stiefel sahen brandneu aus. Aber seine Haarfarbe könnte ich nicht beschreiben. Auch das Gewehr, das ich bereits erwähnte, fiel mir zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich auf. Bis er begann, zu reden und damit zu gestikulieren und auf den Typen, der auf dem Schlafsack saß, zu deuten. Mir ging so durch den Kopf, es sei wohl so ein unabhängiger Freund von ihnen wie Tak, und ob ich ihn schon mal gesehen hatte und wo. Seitdem habe ich schon ein paar Leuten erzählt, ich kenne ihn von irgendwoher, nur um dieses Gefühl zu definieren. Jetzt bin ich mir nicht so sicher, doch eine Sekunde lang dachte ich, er sei der Typ, der an dem Abend bei George auf dem Balkon gesessen hatte. Doch jetzt bin ich ebenso sicher, daß er es nicht war (wie sicher auch immer das ist). Kathedrale bewegte sich als erste - das erwähnt niemand, wenn darüber berichtet wird. Ich dachte, er wolle sich den Karton selber holen. Das dachte der Typ wohl auch, und deshalb hat er wohl das Gewehr angehoben.
    Und was haben die Dutzende von Leuten dort gedacht? Was habe ich gedacht?
    Ich griff mit einer Hand nach dem Kolben und schlug mit dem Ballen der anderen so fest gegen den Lauf, daß ich dachte, meine Faust sei gesplittert. Dachte (alles eins mit jenem ersten Gedanken falscher Vertrautheit): Das habe ich schon mal gemacht ... Nein ... Das habe ich noch nie gemacht! Und daß ich nicht in die Brust geschossen wurde, lag nur daran, weil der Typ zuviel Angst hatte oder nicht daran gewöhnt war, Leute abzuknallen. Weshalb ich ihm sehr dankbar bin. Ich drehte mit meinem brennenden Arm am Lauf und beobachtete, wie sein Gesicht erst überrascht, dann schmerzverzerrt blickte, als sich der Finger am Abzugshahn verdrehte.
    Es knackte! ich dachte, etwas sei in meinem Mund explodiert. Doch der Lauf zeigte über meine rechte Schulter (wenn man mich da gefragt hätte, ich hätte geantwortet, die Kugel sei an meinem Ohr vorbeigepfiffen - aber das ist, glaube ich, unmöglich gewesen)
    Das Gewehr entfiel/entglitt ihm/fiel herab. Ich schleuderte es weg, holte aus, und stieß es gegen seine Hüfte. Er stolperte ächzend zur Seite. Ich glaube, er hielt mich für verrückt. (War ich verrückt?) Er wollte auf mich zukommen, doch Lady of Spain griff nach ihm, dann Kathedrale.
    Wieder stieß ich ihm den Kolben in den Bauch.
    Danach wiederholte John immer wieder: »Mann, Kid, du bist wahnsinnig. Kid, du bist wahnsinnig!« In einem Anfall hysterischer Freude, während Kathedrale et die fünf al. Schulter an Schulter mit mir standen. Meine Gedanken waren wie versteinert. (Ja, ich habe dem Typen, als er aufstand und weghumpelte, nachgebrülit: »Mach, daß du hier weg kommst und besorg dir dein Essen selber!« weil das am leichtesten zu sagen war und dem, was ich getan hatte, einen Grund verlieh. Die anderen standen herum und meckerten, wie mies es sei, daß man die ganze Zeit um Essen angehauen wird, daß sie jetzt bestimmt eine Weile nicht wiederkämen und sie in Ruhe lassen würden. Ich dachte die ganze Zeit, ich sollte den Karton mit dem Essen mitnehmen (wegen des Geheimlagers unter dem Haus, würden wir es nicht brauchen) weil wir es nicht brauchten. Doch übrigblieb: Nimm ihn mit, weil das der einzige für sie glaubhafte Grund für meine Handlung sein würde.
    Ich vergaß es - den Karton.
    Auf halbem Weg zurück ins Nest, wobei Kathedrale und die anderen laut darüber palaverten, wie cool das alles gewesen sei, erinnerte ich mich dreimal, und vergaß es auch gleich wieder, was ich beschlossen hatte. Ich erzählte es ihnen, doch für den Anfang benötigte ich eine Menge an Energie. Sie verstanden es nicht. (»Yeah, yeah, das hätten wir tun sollen«, kam es von Tarzan, und Lady of Spain meinte: »Das wäre schon okay gewesen. Sie hätten nichts dagegen gehabt.«) und brüllten weiter.
    Ich bin kein Dichter.
    Ich bin kein Held.
    Doch manchmal denke ich, diese Menschen werden die Realität so verzerren, daß ich einer werde.
    Und manchmal denke ich, die Realität wird mich so verzerren, daß ich wie einer scheine - aber das ist Wahnsinn, oder? Und ich will nicht wiedr verrückt werden.
    Will ich nicht.
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    »Mann«, sagte John, schlug mir auf die Schulter und grinste. »Du bist wirklich wahnsinnig, Kid; du bist wirklich wahnsinnig . . .« Er schüttelte den Kopf und

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