DHAMPIR - Blutsverrat
Magieres Hals. Sie fühlte seine Tränen warm auf ihrer Haut.
Chap beobachtete, wie Magiere den zitternden Leesil hielt. Der Zorn in ihm wuchs und konzentrierte sich auf einen Namen.
Brot’ân’duivé … Brot’a n … der ältere Anmaglâhk in der Gruft.
Chap konnte all seine Erinnerungen zurückholen und sie im Bewusstsein der betreffenden Person wieder in den Vordergrund rücken. Eine einfache Art zu kommunizieren und andere zu beeinflusse n – Leesil hatte sich immer wieder darüber geärgert. Aber Chap konnte die Erinnerungen einer Person nicht auf eine andere übertragen, und Brot’ans Erinnerungen hatten ihm viel gezeigt.
Zum ersten Mal hatte sich Chap nach der Möglichkeit gesehnt, sich mit Worten zu äußern. Das Elfische war subtiler und nützlicher als Belaskisch, doch es gab so viel mitzuteilen. Unglücklicherweise hing ein großer Teil von Wynns Übersetzungen ab. Er hätte eine ganze Nacht mit der Pfote auf Symbole deuten müssen, um auch nur zu versuchen, die Wahrheit zu erklären.
Brot’an hatte Leesil mithilfe einer Lüge zum Rächer werden lassen.
Chap lief leise hinter den Baum und näherte sich Magiere und Leesil. Er schlich sich heran, schnappte nach dem Bündel und riss es Leesil aus den Armen.
Magiere holte erschrocken Luft. »Was machst du da?«
Leesil langte nach dem Bündel, aber Chap zog es aus seiner Reichweite. Er schüttelte den Mantel, bis die Totenköpfe auf den Waldboden fielen, legte denn die Vorderpfoten rechts und links neben den Schädel der Elfin.
»Gib sie zurück!«, rief Leesil.
Chap knurrte und fletschte die Zähne.
Magiere zog Leesil zurück und starrte verblüfft auf den Hund hinab. Chap sah Leesil in die Augen und rief Erinnerungen an Nein’a wach, eine nach der anderen. Er bellte zweimal für »nein« und stieß mit der Schnauze gegen den Totenkopf der Elfin.
»Hör auf!«, rief Leesil und krümmte sich in Magieres Armen zusammen, heimgesucht von Erinnerungen.
Chap hörte nicht auf. Leesil musste verstehen.
Bei der Begegnung mit Brot’an in der Gruft hatten Chap die Narben des älteren Elfen zunächst verwirrt. Brot’ans Gesicht war ohne Narben gewesen, als er damals in jener Nacht Eillean mit dem jungen Chap über die kalten Berge begleitet hatte. Erinnerungsfetzen wirbelten durch das Bewusstsein des Elfen wie Herbstblätter im Wind. Und wie bei dem Versuch, die Blätter in der Reihenfolge zu fangen, in der sie vom Baum fielen, hatte Chap eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was ihm all die Bilder zeigten.
Brot’an war vor acht Jahren dabei gewesen, in der Nacht, als Nein’a und Gavril aus der Festung flohe n …
Brot’ân’duivé hatte zusammen mit Eillean die Kronenberge überquert und die bewaldeten Vorberge von Darmouths Provinz erreicht.
Aoishenis-Ahâre , der Älteste Vater, hatte hinsichtlich Cuirin’nên’a die Geduld verloren und verlangte ihre Rückkehr. Brot’an und Eillean waren nach Venjètz geschickt worden, um sie nach Hause zu bringen, zusammen mit ihrem Halbblut-Sohn.
Die Anweisung war ganz plötzlich erfolgt, und es lag eine Herausforderung in ihr.
Brot’an befürchtete, dass der Älteste Vater jetzt seine Loyalität infrage stellte und auch die von Eillean. Während der Reise richtete er entsprechende Worte an sie, und ihre Antwort bestand aus einem finsteren Blick, in dem auch Sorge lag.
In ihrer Kaste gab es keinen Verrat. Kein Anmaglâhk zog jemals das Opfer in Zweifel, das er im Dienst an seinem Volk brachte. Allein in der Ferne mussten sich die Anmaglâhk auf ihr eigenes Urteilsvermögen verlassen, um Schwierigkeiten bei ihren Aufgaben zu überwinden. Brot’an wusste, dass er jetzt auf einem Seil dünn wie ein Spinnfaden ging. Natürlich blieb ihm keine andere Wahl, als zu gehorchen.
Die Reise war lang, der Weg durch die Berge beschwerlich. Es dauerte nicht mehr lange bis zum Winter, und die Rückkehr durch die Kronenberge würde noch schwieriger sein. In der fünften Nacht, als sie die Vorberge von Darmouths Provinz erreicht hatten, ging Brot’an über die Straße, die nach Süden führte, zu den Toren von Venjètz. Zwischen den Bäumen auf der anderen Seite hob er die Hand und bedeutete Eillean, stehen zu bleiben.
Schritte kamen durch den Wald, leise und schnell. Brot’an sah Eillean an und stellte fest, dass sie sie ebenfalls hörte. Sie versteckten sich im Gebüsch.
Cuirin’nên’a und ein Menschenmann kamen aus dem Wald, beide verschwitzt und außer Atem. Brot’an wusste nicht, was er davon
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