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Dhampir - Götterjagd

Dhampir - Götterjagd

Titel: Dhampir - Götterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barb & J.C. Hendee
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Fingers der linken Hand.
    Magiere wusste noch immer nichts vom wahren Zweck des Knochenamuletts an ihrem Hals. Das elfenbeinfarbene, in Zinn eingefasste Stück war der fehlende Knochen von Welstiels kleinem Finger. Wenn er nach Magiere Ausschau hielt, galt seine Suche eigentlich gar nicht ihr, sondern dem Teil von ihm, den sie bei sich trug. Er beobachtete, wie insgesamt drei Tropfen schwarze Flüssigkeit von seinem Fingerstumpf fielen und sich in der kleinen Wölbung in der Mitte des Tellers sammelten. Eine kurze Willensanstrengung genügte, um die Wunde im kleinen Finger zu schließen, doch bevor sich Welstiel darauf konzentrieren konnte, gerieten die drei Tropfen in Bewegung.
    Die dunkle Flüssigkeit verließ die Mitte des Tellers, strebte dem Rand entgegen und verharrte dort.
    Die Richtung, in der sich die Tropfen bewegten, und die Länge dieser Bewegung deuteten auf Magieres Position hin. Welstiel sah auf den ersten Blick, dass sie nach Osten unterwegs war, und zwar so schnell, dass sie nicht zu Fuß reisen konnte. Offenbar schickte sie sich an, das Reich der Elfen zu verlassen. Aber wie? Was gab es in jener Richtung und an jenem weit entfernten Ort, abgesehen vom Ozean und der östlichen Küste des Kontinents?
    Welstiel versteifte sich. Reiste Magiere vielleicht übers Meer?
    Er fragte sich, wie sie das anstellen könnte. Soweit er wusste, hatte nie ein Schiff der Menschen das nordöstliche Kap des Kontinents umsegelt und elfische Gewässer erreicht. Welstiel hatte gehofft, noch einige Nächte in diesem Kloster verbringen zu können, um seine Geschöpfe noch tiefer in Hunger und Wahnsinn zu treiben. Aber so viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Ein ganzes Gebirge lag zwischen ihm und der Küste im Osten.
    Er musste Vorbereitungen treffen. Und er musste seinen Dienern einen letzten Happen Nahrung geben.
    Welstiel säuberte Teller und Dolch und verstaute beides im Rucksack. Als er aufstand, stützte er sich mit einer Hand an der Wand ab. Der Schlafmangel setzte ihm immer mehr zu, trotz der Verwendung des Mittels, das ihn vor dem Dämmern bewahrte. Er wandte sich den Türen auf der rechten Seite zu, den Zimmern der Lebenden.
    Er war so darauf konzentriert gewesen, seine Diener auf den Wilden Weg zu führen, dass er gar nicht mehr wusste, wie viele Lebende es noch gab. Für die weitere Reise brauchte er Lebenskraft.
    Als er die Treppe zum Eingangsraum hinunterging, war Chane nirgends zu sehen. Welstiel fragte sich, wo sein labiler Reisegefährte tagsüber geschlafen hatte. Oder war Chane bereits wach und trieb sich irgendwo herum?
    Welstiel ging durch den Flur in den rückwärtigen Teil des Gebäudes und warf einen Blick in die Werkstatt.
    »Chane?«, rief er, bekam aber keine Antwort.
    Seit der ersten Nacht im Kloster, als Welstiel Chane zum Gehorsam zwingen musste, hatte sich der junge Untote verändert. Er war immer verdrießlicher und reservierter geworden. Früher oder später mochte sein Verhalten eine kritische Schwelle erreichen.
    Vielleicht, dachte Welstiel, kam irgendwann der Moment, in dem Chane keine Hilfe mehr war, sondern zu einer Belastung wurde.
    ErhattekeineZeit,nachdemjungenUntotenzusuchen,undsahsichimmerwiederum,alserzueinergroßenTruheschritt,sieöffneteundihrzweileereFlaschenentnahm.DamitkehrteerinsObergeschosszurück,holtedenMessingnapfausseinemRucksack,wandtesichdanndererstenTüraufderrechtenSeitezuundzogdenHolzpflockbeiseite.
    In dem kleinen Zimmer saßen drei Mönche auf dem schmalen Bett. Welstiel trat ein und warf die Tür hinter sich zu.
    Er brauchte mehr konzentrierte Lebenskraft, um die Reise fortzusetzen.

5
    »Was machst du hier?«
    Chane zuckte zusammen und erwachte. Er lag zusammengerollt vor der Tür der Bibliothe k – aus irgendeinem Grund kehrte er immer wieder zu diesem Ort zurück.
    Welstiel stand im Eingang und hielt eine Laterne in der Hand.
    »Hoch mit dir!«, befahl er. »Wir brechen heute Abend auf, nachdem die Neuen noch einmal etwas Nahrung bekommen haben.«
    Die Vorstellung, das Kloster zu verlassen, weckte Erleichterung in Chane, doch gleichzeitig regte sich das hungernde Tier in ihm, als von Nahrung die Rede war. Er hielt sich am Türrahmen fest und stand auf.
    Benommen trat Chane an Welstiel vorbei, wankte durch die Werkstatt und erreichte den Eingangsraum. Die ganze Zeit über blieben die Muskeln in seinem Rücken gespannt, denn Welstiels Schritte folgten ihm.
    »Wir geben ihnen noch einmal Blut, aber nicht mehr als vorher«, sagte Welstiel. »Anschließend sammelst du

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