Dhampir - Götterjagd
Flasche daneben. Er nahm das Fläschchen, betrachtete es kurz, stellte es dann zurück und wandte sich dem Rucksack zu.
Etwas bewegte sich oben im Flur.
Chane erstarrte, die Hand über dem Rucksack. Er sah zur Treppe, spitzte dabei die Ohren. Welstiel rutschte im Obergeschoss auf seinem Stuhl hin und her. Chane ballte die Hand zur Faust und ließ sie sinken.
Wenn er Welstiel hörte, so musste er davon ausgehen, dass der irre Untote auch ihn hören konnte.
Die zermahlenen Kräute r … Ihr Geruch erinnerte ihn an die Werkstatt weiter hinten.
Was hatte Welstiel hier die ganze Nacht angestellt?
Chane richtete sich langsam auf und ging los. Bei jedem Schritt zögerte er kurz und horchte, ob sich im Obergeschoss etwas bewegte. Er schlich durch den zweimal abknickenden Gang, erreichte die Werkstatt und verharrte. Der Kräutergeruch war hier sehr intensiv. Chane wanderte an den Tischen vorbei, wich den von der Decke herabhängenden Kräuterbündeln aus und suchte nach irgendetwas, das ihm ungewöhnlich erschien.
Auf einem der Tische fand er ein Durcheinander vor.
Zwischen den Messern, Stößeln und Wachspapierfetzen entdeckte er einen innen geschwärzten Blechtelle r – etwas schien darauf verbrannt worden zu sein. Dann bemerkte er die getrockneten Blumen. Er beugte sich vor und sah die Reste verblasster Farben: ein helles Gelb, das sich weiter in der Mitte in ein Pflaumenblau verwandelte. Vorsichtig nahm Chane ein trockenes Blütenblatt und schnupperte daran. Der süße, fischartige Geruch war recht stark. Abrupt ließ er das Blütenblatt sinken, als er den Geruch erkannte.
Es handelte sich um Dyvjàka Swonschek, auf Belaskisch »Keilerglocke« genannt, nach der Form der glockenförmigen gelben Blumen und der abergläubischen Annahme, dass nur wilde Keiler und besonders widerstandsfähige Tiere dies fressen konnten. Der Volksmund kannte noch andere Namen dafür, wie zum Beispiel »Düsternacht«, »Albtraumhauch« und »Schwarzbann«.
Mit anderen Worten: Es war Gift, das bewusstseinsverändernd wirkte, wenn Lebende es zu tief einatmeten.
Chane drehte sich einmal um die eigene Achse und sah sich um.
Welche Verwendung konnte ein Edler Toter für ein derartiges Gift haben?
Was hatte Welstiel hier gemacht?
2
»Magiere, sieh nur«, sagte Sgäile und deutete an ihr vorbei. »Euer Schiff nähert sich dem Hafen.«
Magiere trat neben ihn ans Ende des Kais und schirmte mit einer Hand die Augen vor dem Sonnenschein ab.
»Das große?«, fragte sie.
Sgäile nickte und beobachtete das Schiff. »Ja.«
Aus der Ferne gesehen schien das Schiff mit dem gelbbraunen Rumpf über die Wellen zu gleiten, als es sich dem Hafen der Elfenstadt Ghoivne Ajhâjh e – Vor der Tief e – näherte. Es lag seltsam hoch im Wasser und erweckte den Eindruck, von einem Wellenkamm zum nächsten zu schweben. Die Segel schimmerten wie weißer Satin im Licht der Sonne des späten Winters. Doch hier an der Nordküste des Elfenreichs fühlte sich die Luft eher nach dem Beginn des Frühlings an.
Die vom Meer her wehende Brise zupfte an einer schwarzen Haarsträhne, die Magiere in die Augen hing. Sie strich sie beiseite und beobachtete das seltsame Schiff, das sie und ihre Gefährten fortbringen sollte. Lang und geschmeidig war es, mit spitz zulaufendem Bug; der Rand des Rumpfs schien ein wenig gewölbt zu sein, wie ein Stechpalmenblatt. Für einen Moment glaubte Magiere, dass vom Meer reflektiertes Grün über den Rumpf huschte, doch die gelbbraune Tönung kehrte sofort zurück.
Andere Schiffe, klein und groß, segelten in die Bucht, verließen sie oder lagen an den langen Kais vor Anker. Zahlreiche Lastkähne, die über Flüsse aus dem Landesinnern gekommen waren, hatten an den Anlegestellen festgemacht. Elfen waren damit beschäftigt, sie zu entladen oder neue Fracht an Bord zu schaffen.
»Ah, bei den sieben Höllen!«, brummte jemand. »Sollen wir uns wirklich einem solchen Ding anvertrauen?«
Magiere blickte zurück, und Leesil schnitt eine Grimasse, als er neben Sgäile trat. Sie musterte beide.
Sgäile war ein Elf und Anmaglâhk, ein ausgebildeter Assassine und Spion. Er hatte geschworen, Leesil und seine Begleiter zu schützen. Magiere kannte ihn erst seit kurzer Zeit, und deshalb fiel es ihr noch schwer, seine Mimik zu deuten.
Leesil war ein Mischling.
Seine Ohren waren nicht ganz so spitz wie die eines vollblütigen Elfen, aber einen aufmerksamen Beobachter wiesen sie ebenso auf seine elfische Abstammung hin wie das weißblonde
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