Dhampir - Seelendieb
waren. Eigentlich lag ihr gar nichts mehr daran, noch weiter über die geheimnisvollen Aspekte des Hunds nachzudenken. Je länger sie sich diese Sache durch den Kopf gehen ließ, desto mehr mögliche Bedeutung sah sie darin, dass Chaps verborgene magische Natur sie all die Jahre begleitet hatte.
»Wynn vermutet, dass Chap zwischen den Dokumenten auf dem Tisch nach Spuren geschnüffelt hat«, sagte Magiere. »Wenn ein Untoter ein Dokument unterschrieben hat, so könnte vielleicht etwas von seinem Geruch übrig geblieben sein, aber der Hund fand nichts. Wahrscheinlich liegt die Sache zu lange zurück, und es gibt keine Fährte mehr.«
Chap stand auf und jaulte. Sein Schwanz zuckte.
»Du sollst still sein!«, rief Leesil dem Tier zu.
»Das bedeutet ›ja‹«, sagte Magiere müde. »Wynn hat das mit ihm eingeübt.« Sie seufzte tief. »Ein Bellen für ›ja‹, zwei für ›nein‹ und drei für ›vielleicht‹ oder ›weiß nicht‹.«
Leesils Kopf sank aufs Kissen zurück.
»Glaubst du, du kannst es besser?«, fragte Magiere. »Wynn hat sich alle Mühe gegeben und viel erreicht, wenn man bedenkt, dass sie mit jemandem zu reden versuchte, de r … weder schreiben noch sprechen kann. Sie meint, dass e r – als Feenabkömmling oder was auch imme r – anders denkt als wir, was die Kommunikation mit ihm schwierig macht.«
Ein kalter, feuchter Klumpen berührte sie an der Hand, und Magiere zuckte erschrocken zusammen.
Chap war zu ihr gekommen, drückte seine Schnauze an ihre Hand und jaulte leise. Seine Zunge strich ihr über die Finger.
»Wie sehr hat er unser Leben beeinflusst?«, fragte Leesil, stützte sich auf einen Ellenbogen und sah nach unten. »Hätten wir uns überhaupt kennengelernt, wenn wir an jenem Abend nicht von ihm zusammengebracht worden wären?«
»Spielt es eine Rolle?«, erwiderte Magiere. »Wir sind hier, und wir haben eine Aufgabe. Ich muss davon ausgehen, dass wir in jedem Fall hier wären, auch wenn Chap damals keinen Einfluss auf uns genommen hätte.«
Leesil kniff die Augen zusammen, und Kummer regte sich in Magiere. Sie hätte ihn gern getröstet, wusste aber nicht wie.
Plötzlich erklang eine helle Stimme.
»Wo liegt das Problem? Habt ihr schon wieder was niedergebrannt?«
Vàtz stand in der Tür, in Hemd und Hose, beides zu groß, das Haar zerzaust wie am Morgen. Magiere sah den Jungen erleichtert an.
»Hast du deinen Onkel gefunden?«, fragte sie.
»Ja. Zuerst trauerte er so, als wäre seine Mama gestorben; dann war er wütend und meinte, er würde euch das Fell über die Ohren ziehen. Bis ich ihm vom Geld erzählte. Daraufhin brummte er etwas über den Verlust von Einnahmen während des Wiederaufbaus.«
Magiere seufzte erneut.
»Habt ihr schon gegessen?«, fragte Vàtz. »Ich habe seit gestern Nacht kaum was in den Magen bekommen.«
»Ich gehe zu Wynn und hole dir was«, sagte Magiere. »Warte hier.«
Die Präsenz des Jungen und seine Unwissenheit in Hinsicht auf die Ereignisse des Abends stifteten vielleicht Frieden zwischen Leesil und Chap.
MagieremachtesichaufdenWegzumArbeitszimmer,denKopfvollerFragenüberdenHund.EswareinzugroßerZufall,dasseinfürdieJagdaufUntotegeborenerHundinderGesellschafteinerDhampirendete,vondereinesentflohenenAssassinenganzzuschweigen.WennsieihreAufgabeinBelaerfüllthatte n … Magierehoffte,dasssiedannGelegenheitfanden,derSacheaufdenGrundzugehenundAntwortenzufinden.
Als sie das Arbeitszimmer betrat, war von Wynn nichts zu sehen. Eine kalte Lampe stand auf dem Schreibtisch, an dem die junge Weise gesessen und gearbeitet hatte.
Sie wandte sich dem zur Küche führenden Flur zu. Im dortigen Halbdunkel bemerkte sie ein Glühen und senkte den Blick.
Das Topas-Amulett leuchtete.
Magiere wirbelte herum.
Das Arbeitszimmer war leer, aber sie hörte hastige Schritte im Hauptflur und begann zu laufen.
»Leesil!«, rief sie. »Mein Schwert!«
Sie kam am Eingang vorbei, sah aber niemanden. Als sie den Weg zu ihrem Zimmer fortsetzen wollte, lief ihr Chap entgegen, und Leesil folgte dicht hinter ihm. Der Hund hinkte immer noch, sauste aber an Magiere vorbei, und Leesil warf ihr das Falchion zu. In der rechten Hand hielt er seine neue Klinge. Vàtz kam weiter hinten angerannt, mit der geladenen Armbrust in den kleinen Armen.
»Kehr ins Zimmer zurück!«, forderte Magiere ihn auf.
Sein Gesicht umwölkte sich, und er öffnete den Mund zu einer zornigen Bemerkung.
»Keine Widerrede!«, rief Magiere. »Los!«
Hinter ihr jaulte Chap und bellte dann.
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