Dhampir - Seelendieb
brach Chane auf, um Nahrung für Toret zu beschaffen. Es verlangte ihn selbst nach Blut, und die verwundete Schulter bereitete ihm Problem e – sie brannte.
Durch dunkle Gassen eilte er, erreichte bald ein heruntergekommenes Viertel und stieß auf eine Obdachlose, die halb weggetreten hinter einigen Kisten lag, mit einer leeren braunen Glasflasche in der Hand. Der Geruch von billigem Fusel hing in der Luft.
Die Frau roch nach Schweiß, Schmutz und Urin, aber Chane trank ihr Blut und nahm ihr Leben in sich auf. Er achtete darauf, dass nicht ein einziger Tropfen auf seine Kleidung geriet. Mit geschlossenen Augen wich er zurück, konzentrierte sich auf seine innere Welt und lenkte die Lebenskraft der Frau in seine verletzte Schulter.
Der Schmerz ließ nach, aber die Wunde heilte nicht vollständig.
Chane ließ die Frau dort liegen, wo er sie gefunden hatte. Als er fortging, dachte er daran, dass Toret alle Regeln in Bezug auf Beute aufgegeben hatte. Vor der Ankunft der Jägerin hatten sie nur selten getötet und die Leichen immer verschwinden lasse n – zumindest hatte Chane dafür gesorgt, dass Toret von solchen Annahmen ausging. Jetzt wurde keine Rücksicht mehr genommen.
Die Jägerin.
Sie war der Schlüssel für die Ketten, die ihn gefangen hielten. Er brauchte nur dafür zu sorgen, dass sich Toret und die Dhampir begegneten. Chane warf alle vorherigen Pläne über den Haufen, trat auf die Hauptstraße des inneren Kreises und ging zu der alten Kaserne, in der sich die Weisen niedergelassen hatten. Toret wollte Blut, und die Zeit drängte.
Er trat durch die Tür und zögerte, als er Zeichen und Worte auf dem Boden sah, mit Kreide geschrieben. Er sah »Ja« und »Nein« auf Belaskisch, und der Rest bestand aus kantigen Elfensymbolen, zu einzelnen Gruppen angeordnet.
Wynn bemerkte ihn. Sie sah perfekt aus, wie sie dasaß, gekleidet in ihren grauen Umhang und mit dem langen Zopf, umgeben von Dokumenten und dem Licht einer kalten Lampe auf dem Schreibtisch. Ihr ruhiges, olivfarbenes Gesicht war lieblich und ihr weiser Rat immer willkommen. Chane wusste, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, obgleich ihr intellektuelles Wesen sie bisher daran gehindert hatte, das zu erkennen. Er mochte die kleine Gelehrte und hätte nie mit ihr gespielt.
»Guten Abend, Wynn«, sagte er höflich.
Aus irgendeinem Grund wirkte sie aufgeregt und schien sich nicht besonders darüber zu freuen, ihn zu sehen.
»Oh, Chan e … Haben wir uns für heute Abend verabredet?«
Er schritt durchs Zimmer, nahm einen Stuhl und setzte sich zu ihr. »Nein, aber ich brauche Informationen und dachte, schau doch mal bei ihr vorbei. Ich hoffe, es ist dir recht.«
Sie nickte geistesabwesend und begann damit, Dokumente zu Stapeln anzuordnen. »Du bist immer willkommen. Es ist nu r … Derzeit passiert ziemlich viel.«
»Was bedeutet das?« Chane deutete auf die Kreidezeichen und das allgemeine Durcheinander im Zimmer.
»Ich helfe Freunden«, erwiderte Wynn und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Es freut mich, dich zu sehen, aber derzeit weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. Eine Abwechselung könnte mir guttun.«
Sie rieb sich die Auge n – ganz offensichtlich hatte sie zu lange ohne Pause gearbeitet. Chane fühlte kurzes Widerstreben, sie noch mehr zu belasten. Im Großen und Ganzen scherte er sich nicht um Sterbliche, aber Wynn war einzigartig.
Sie streckte ihre kleinen, perfekten Hände aus und rückte einen Stapel zurecht. »Was hast du auf dem Herzen?«
»Zuerst einma l … Kannst du ein elfisches Wort für mich übersetzen?«
»Ich kann es versuchen. Wie lautet es?«
» Anmaglâhk «, sagte Chane. »Ich habe es vor kurzer Zeit gelesen, weiß aber nicht, was es bedeutet.«
Wynn runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass es ein echtes Elfenwort ist, Chane. Wo hast du es gelesen?«
»In einem historischen Text, der die Elfen dieses Kontinents betrifft«, log er.
Wynn überlegte. »Ich würde es mi t … ›Lebensdieb‹ übersetzen. Das ist die beste Umschreibung.«
»›Lebensdieb‹?«, wiederholte Chane. »Das klingt nach einem Mörde r … oder einem Assassinen.«
»Vielleicht«, erwiderte Wynn, und die Falten fraßen sich tiefer in ihre Stirn. Chanes Interpretation des Begriffs schien sie zu stören. »Aber bei den Elfen gibt es keine Assassinen; das Wort muss sich also auf andere Völker beziehen.« Sie lächelte müde. »Sag mir jetz t … Worüber möchtest du Informationen?«
»Du musst mir versprechen, nicht
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