Dhampir - Seelendieb
beiseite und nahm die Garrotte, bildete eine Schlaufe und zog den Draht dann stram m – ein leises Summen ging von ihm aus, bei dem sich Leesil der Magen umdrehte.
Es wurde Zeit, einige Lektionen seiner Eltern neu zu lernen und sein grässliches Erbe zu akzeptieren. An vielen Abenden hatte er sich in den Schlaf getrunken, um nicht von seiner albtraumhaften Kindheit zu träumen. Nie wieder wollte er sich so schlecht vorbereitet überraschen lassen.
Denn es war noch nicht vorbei.
Gerüchte breiteten sich aus. Magiere und er hatten sich ein ruhiges Leben in Miiska erhofft, aber die Kunde von ihren Taten würde Verzweifelte erreichen. Sie hatten Miiska befreit, eine kleine Hafenstadt an der Küstenstraße zum belaskischen Königreich. Und sie hatten es ganz offen getan.
Magiere, Jägerin der Untoten, würde nie für längere Zeit in Frieden leben können.
Leesil legte die Garrotte in den Kasten, schloss ihn und wickelte ihn wieder ins Segeltuch. Er nahm sein Bündel und wandte sich der Stadt zu, sah zum »Seelöwen«, wo Magiere die Wiedereröffnung für den kommenden Abend vorbereitete. Er hätte gern mit ihr gesprochen, von seiner Sorge um sie und dem Wunsch, sie vor dem zu schützen, was auf sie zukam. Aber das war eine weitere Sache, von der sie noch nichts hören wollte.
»Oh, Magier e … «, flüsterte Leesil traurig und schritt über den Hang. »Es wird nie vorbei sei n … jetzt nicht mehr. Und das ist dir noch nicht klar, oder?«
Selbst nach Monaten in der kleinen Hafenstadt gefiel es Magiere, das Rauschen der ans Ufer rollenden Wellen zu hören. Fast die ganzen fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens hatte sie weit landeinwärts verbracht und erst vor kurzer Zeit ihre Liebe für die Weite des Meeres entdeckt. Sie neigte nicht zu Romantik, doch inzwischen sah sie den Ozean als mystischen Quell des Lebens. Die salzige Luft wirkte reinigend. Mit langen Schritten schritt sie an den Anlegestellen entlang zu einem kleinen Lagerhaus.
Das schwarze Haar war mit einem Lederriemen zusammengebunden, und sie fühlte, wie der Zopf zwischen ihren Schultern baumelte. Es kümmerte sie nicht, dass die Leute das scharlachrote Glitzern in ihrem Haar bemerkten. Es gehörte jetzt zu ihr, wie ein Muttermal. Die Lederrüstung trug sie kaum mehr. Inzwischen hatte sie sich an eine weiche dunkle Hose, das weite weiße Hemd und eine übergroße Lederweste gewöhnt. Ihre beiden Amulette hingen deutlich sichtbar am Hals: das eine ein Topas, von Hartzinn umfasst, das andere ein halbes Oval aus Knochen auf Zinnblech.
Neben ihr lief Chap, groß und wolfähnlich, mit silbernem Fell und hellblauen Augen. Gelegentlich bewegten sich die Ohren des Hunds, und sein Blick tanzte über die Hafenarbeiter, Kahnführer und Kaufleute. Doch nichts erschien ihm wichtig genug, um allein loszulaufen, und deshalb machte sich Magiere keine Sorgen um ihn. Bei Leesil sah die Sache anders aus.
Der Halbelf hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, vor Tagesanbruch im Wald südlich der Stadt zu verschwinden. Magiere wusste nicht, was er dort machte, und es widerstrebte ihr, danach zu fragen. Sie hatte darauf geachtet, wann er gewöhnlich zurückkehrte, und diesmal war er spät dran. Gerade heute wäre seine Präsenz nützlich gewesen. Zumindest sagte sie sich, dass sie aus diesem Grund zwischen den Gebäuden zum baumbewachsenen Hang südlich der Stadt blickte.
Ihre Taverne war vor gut zwei Monden niedergebrannt, und die Stadtbewohner hatten dabei geholfen, den »Seelöwen« wiederaufzubauen. Magiere hatte zwei Fässer Wein, drei Fässer Bier und genug Lebensmittel bestell t – sie rechnete damit, dass an diesem Abend viele Gäste kamen. Ein großes Wiedereröffnungsfest stand bevor.
Als sie bei der Taverne stehen geblieben war, um die Lagerbestände zu prüfen, hatte sie feststellen müssen, dass nichts geliefert worden war, nicht einmal genug Bier oder Wein für einen Krug. Leesil kam mit solchen Angelegenheiten besser kla r – er behauptete, dass er taktvoller sei. Magiere hatte bis zum Mittag auf ihn gewartet und dann beschlossen, sich selbst um alles zu kümmern.
Chap lief los und schnüffelte an den Kisten. In der Nähe saß ein Alter, der ein Netz flickte, und er sah auf den Hund hinab. Chap hob die Schnauze, woraufhin der Alte in die Tasche griff, ein Stück Dörrfleisch hervorholte und es in die Luft warf. Chap fing es und verschlang den Bissen, ohne groß zu kauen. Er bellte einmal und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.
»Chap!«, rief
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