Dhampir - Seelendieb
hätte, doch ihre Aufmerksamkeit galt vor allem dem Zustand des Kleids. Der vordere Teil war zerfetzt, von der Taille bis zum Saum. In Magieres Magengrube begann es zu brennen, und hinzu kam ein vertrauter Schmerz im Kiefer. Zorn kroch durch ihre Kehle in den Kopf.
Eine scheußliche Frage musste gestellt werden, aber als Magiere Lanjows Gesicht sah, brachte sie es nicht fertig, sie an ihn zu richten.
Er stand still da und starrte auf das Kleid seiner Tochter. Die Hände waren zu Fäusten geballt, die Lippen zusammengepresst.
Chap schnüffelte am Saum des zerrissenen Kleids und arbeitete sich von dort aus nach oben. Leesil ging in die Hocke, damit der Hund auch den Kragen erreichen konnte. Nach einigen Sekunden sah Chap zu Leesil auf, blickte dann zu Magiere und jaulte leise.
»Nichts?« Magiere nahm eine Handvoll Stoff und drückte ihn an Chaps Schnauze, riss Leesil das Kleid fast aus den Händen. »Noch einma l … und pass auf!«
Chap verstand die Worte natürlich nicht, aber Magiere war sicher, dass er um seine Rolle in ihrem Trio wusste.
Der Hund sah ihr kurz in die Augen und knurrte leis e – es klang enttäuscht und unzufrieden, fand Magiere. Erneut beschnüffelte er das Kleid. Seine Schnauze strich über die Taille, dann nach oben zum Kragen, und einmal mehr kam ein leises Jaulen von ihm.
»Das reicht«, sagte Leesil. »Er findet nichts. Vielleicht ist schon zu viel Zeit verstrichen.«
»Nun?«, fragte Lanjow. Offenbar erwartete er nach diesen für ihn so unangenehmen Dingen eine Erkenntnis von ihnen.
»Wir müssen das Kleid mitnehmen«, sagte Leesil. Er richtete sich auf und überließ das Kleid Magiere. »Vielleicht weiß Chap noch nicht, was er gerochen hat.«
Magiere wusste, dass ihr Partner improvisierte. Sie rollte das lavendelfarbene Kleid zusammen. Ein Teil von ihr wollte nicht wissen, was mit dem Mädchen geschehen war, als es verblutete. Plötzlich stellte sie sich vor, wie die Mutter, die sie nie gesehen hatte, im Dunkeln zu einer Lehensburg verschleppt worden war. Die Dorfbewohner erzählten sich von einer Frau, die manchmal abends umherwanderte und das Kind eines Mannes in sich trug, von dem Magiere inzwischen wusste, dass er ein als Mensch getarntes Ungeheuer gewesen war. Magiere war kurz vor dem Tod ihrer Mutter geboren, mit einer Verbindung zur Welt der Untoten.
Sie krallte ihre Finger in Chesnas Kleid und schloss die Augen.
Als sie plötzlich Zähne am Handgelenk fühlte, zuckten Magieres Lider nach oben.
Chap hatte ihre Hand im Maul und zog sie in Richtung Tür. Magiere befreite sich und sah Leesil an.
»Ich weiß nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Folge ihm einfach.«
Chap drehte sich und lief aus dem Zimmer. Magiere folgte ihm mit dem Kleid, und Leesil schloss sich ihr sofort an. Von Lanjow kam ein verärgertes Brummen. Chap blieb ein ganzes Stück vor ihnen, brachte die Treppe hinter sich und lief zum Haupteingang. Magiere eilte ihm nach und beobachtete, wie der Hund vor der Tür verharrte und mit der Pfote daran kratzte.
»Offenbar muss euer Hund nach draußen«, sagte Lanjow kühl. »Vielleicht habt ihr ihm zu viel Wasser gegeben, bevor ihr hierhergekommen seid.«
Leesil wandte sich ihm zu und wollte eine scharfe Antwort geben, doch Magiere kam ihm zuvor. »Er möchte noch einmal auf die Veranda.«
Lanjow seufzte resigniert und öffnete die Tür.
Chap sprang nach draußen und machte genau das, was Magiere erwartet hatte. Er senkte den Kopf und schnüffelte an den Flecken zwischen den Verandasteinen.
Sie trat durch die Tür und sah sich die Stelle an, der Chaps Interesse galt. Im matten Licht der Laternen ließ sich nicht viel erkennen. Ihr Blick blieb darauf gerichtet, als sie nach der linken Laterne griff und das kleine Einstellrad drehte, um den Docht herauszudrehen. Aber es wurde nicht etwa heller, sondern dunkler.
Magiere sah sich die Laterne an, um festzustellen, ob sie den Docht versehentlich heruntergedreht hatte. Doch die große Flamme loderte so hell, dass sie die behandschuhte Hand hob und sich die Augen abschirmte.
Ihre behandschuhte Hand? Sie trug keine Handschuhe.
Chap jaulte und sprang beiseite, als Magiere die Verandastufen hinunterwankte. Auf dem Weg blieb sie stehen, die Hand erhoben, und starrte auf ihre Finger.
Sie steckten nicht in einem Handschuh.
»Magiere?«, fragte Leesil zögernd. »Was ist los?«
»Nichts weiter«, murmelte sie.
Als sie sich wieder auf das Hier und Heute besann, stand Leesil vor ihr und musterte sie verwirrt.
»Ic h
Weitere Kostenlose Bücher