Dhampir - Seelendieb
offenen Torbogen des Arbeitszimmers. Er war noch immer so makellos gekleidet wie am Nachmittag, wirkte aber müde und erschöpft. Allem Anschein nach lag ein langer Tag hinter ihm.
»Ich bedauere, dass wir dich am Abend stören«, sagte Magiere. »Aber wir müssen wissen, was geschehen ist. Deine Tochter wurde auf der Veranda getötet? Wer fand die Leiche?«
»Ich«, antwortete Lanjow mühsam und sah sich Leesils zerrissenes Hemd an. Er musterte Magieres Partner einige Sekunden lang, kniff dabei andeutungsweise die Augen zusammen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich auf eine Weise, die Magiere nicht zu deuten vermochte. Es wurde wirklich höchste Zeit, Leesil ein besseres Erscheinungsbild zu verpassen, wenn sie weiterhin mit diesem Ratsmitglied und anderen Leuten seiner Art zu tun haben würden. Lanjows Blick glitt zu Leesils Gesicht, oder vielleicht seinem Haar, und Magieres Verwunderung wuchs. Schließlich sah der Vorsitzende des Stadtrates dorthin, wo Chap an den Beinen des Sofas schnüffelte.
»Du warst also nicht zu Hause?«, fragte Magiere. »Wo hast du dich aufgehalten?«
»Ich habe im ›Haus des Ritters‹ Karten gespielt und kam spät nach Hause, und sie la g … « Lanjows Stimme versagte, und er schloss die Augen.
Magiere wartete und gab Lanjow Gelegenheit, sich wieder zu fassen. »War jemand zu Hause?«
Er überlegte. »Nur die Köchin, die auch meine Haushälterin ist. Der Kutscher war bei mir. Ich wusste nicht, dass das Dienstmädchen und der Hausdiener ausgegangen waren. Als ich sie später befragte, erfuhr ich, dass Chesna ihnen fast ein Jahr lang einmal in der Woche einen Abend freigegeben hat. An diesen Abenden war ich immer im ›Haus des Ritters‹.«
Leesil wandte sich vom goldenen Kerzenhalter ab und richtete zum ersten Mal das Wort an Lanjow.
»An den Abenden, an denen du nicht daheim warst, gab deine Tochter dem Personal frei?«
Es schien Lanjow Unbehagen zu bereiten, direkt von Leesil angesprochen zu werden. Er nickte kurz. »Ja. Ich fand es erst nach Chesnas Tod heraus.«
Leesil sah Magiere an, und sie wusste, dass seine Gedanken jetzt beschäftigt waren. Gut so. Diese eine Verbindung ließ sich leicht erkennen, aber ihm fielen oft Dinge auf, die sie übersah.
»Wir müssen mit den Bediensteten sprechen«, sagte Magiere.
»Warum?« Lanjow war wieder wachsam. »Ich habe euch all das gesagt, was sie mir gesagt haben. Sie fühlen sich wegen ihres Verrats schuldig genug. Welchen Sinn hat es, sie noch mehr zu beunruhigen?«
Verrat? Angestellte, die an ihrem freien Abend das Haus verließe n … Und dieser Mann hielt das für Verrat?
»Du hast gesagt, dass die Köchin zu Hause war«, betonte Magiere. »Ich muss wenigstens mit ihr reden.«
Lanjow presste kurz die Lippen zusammen, trat durch den Torbogen und richtete einige scharfe Worte ans Dienstmädchen. Kurz darauf kam eine dickliche, gut fünfzig Jahre alte Frau herein.
Im Gegensatz zum Dienstmädchen hatte sie keine Angst. Ihr rötlich-graues Haar bildete einen Knoten, und ihre Schürze zeigte einige verblasste Flecken. Sie maß Magiere mit einem Blick.
»Du bist also die Jägerin. Wir haben jemand anders erwartet.«
Magiere lächelte fast. »Das ist mir inzwischen klar.« Sie wandte sich an Lanjow. »Können wir allein mit ihr sprechen?«
»Nein«, erwiderte er. »Wenn du sie befragen willst, so in meiner Gegenwart.«
Magiere begriff: Lanjow hatte vor dem Rat zwar von Hilfsbereitschaft gesprochen, doch er selbst schien kaum bereit zu sein, Hilfe zu leisten. Vielleicht erwartete er von ihr, dass sie sich von ihm und seinem Haus fernhielt und mit irgendwelchen mystischen Fähigkeiten versuchte, Chesnas Mörder zu finden. Und wenn sie ihn gefunden und zur Strecke gebracht hatt e … Dann würde er einen Beweis dafür von ihr verlangen, damit der Rat ihr auf die Schulter klopfen und sie mit dem Geld fortschicken konnte.
»Wie heißt du?«, fragte Magiere die Köchin.
»Dyta.«
»Erzähl uns, was an jenem Abend geschehen ist«
»Ich habe dem Herrn alles gesagt. Ich wusste nicht, dass das arme Fräulein die Tür geöffnet hatte. Wenn jemand angeklopft hat, so habe ich nichts davon gehört.«
Magiere nickte. »Niemand erhebt Vorwürfe gegen dich. Ich muss ganz genau wissen, was an jenem Abend geschehen ist. Es könnte uns dabei helfen, den Mörder zu finden.«
Dyta schürzte die Lippen. »Chesna war ein nettes Mädchen. Sie gab Hedi und dem jungen Audrey immer frei, wenn der Herr fort war und Karten spielte. Sie blieb
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