Dhampir - Seelendieb
bereits seit Stunden in dieser Position. Nach einer Weile senkte Chane die Lider.
Der Wolf bewegte sich.
Das Tier trat und knurrte, und seine Ketten rasselten. Es zappelte wie in dem Versuch, einer inneren Qual zu entkommen. Speichel troff aus dem Maul, als der Kopf zur Seite rollte.
Chane klatschte dicht über der Kerze in die Hände, und der plötzliche Knall ließ Toret zusammenzucken. Er schloss die Hände noch fester um die Kapsel.
Ihr Metall war heiß, aber Torets Aufmerksamkeit galt jetz t … dem Wolf, der ihn anstarrte, und er erwiderte seinen Blic k …
Um ihn herum schien der Raum zu flackern. Kühle Luft umgab ihn, und er fühlte den Druck von Ketten fest an seinem Körper. Er wollte den Mund öffnen, doch feuchte Lederriemen hinderten ihn daran.
»Es ist vollbracht«, sagte Chane.
Toret sah auf den Wolf hinab. Das Tier starrte ihn noch immer an, und sein Blickfeld verschob sich auf verwirrende Weise. Er sah den Wolf, und mit den Augen des Tiers sah er gleichzeitig sich selbst. Schmerz pochte hinter seiner Stirn, und Übelkeit stieg in ihm auf, wurde so intensiv, dass er zusammenbrach.
Auf dem Boden liegend sah er zum lächelnden Chane auf.
»Sieh dich niemals durch die Augen deines Helfers an«, sagte er. »Der Blickkontakt in einem solchen Zustand ist sehr verwirrend. Das ist die erste Lektion, die wir alle auf recht unangenehme Weise lernen.«
Toret setzte sich auf und suchte nach der Kapsel. Chane reichte sie ihm, und er hängte sie sich um den Hals. Das Wachs war getrocknet und versiegelte sie.
»Verlier die Kapsel nicht«, mahnte Chane. »Mit ihr würdest du die Kontrolle über deinen Helfer verlieren. Und wenn sie zu lange nicht in deinem Besitz ist, könnte sich der Wolf für immer befreien. Sei auf der Hut: Der Tod des Helfers kann seinen Herrn in Gefahr bringen.«
Toret nickte und erhob sich.
Die Fesseln des Wolfs waren bereits gelöst, und er stand so, als könnte er seinen Beinen nicht ganz trauen. Toret übermittelte ihm einen geistigen Befehl, sich zu setzen, aber das Tier reagierte nicht. Chane schien zu ahnen, was er versuchte.
»Das Ausüben von Kontrolle erfordert Zeit und Übung«, erklärte er. »Denk dabei mehr an einen Vorschlag als an einen Befehl, und erinnere dich an das Gefühl, im Selbst des Tiers zu sein, ohne eine Verbindung mit seinen Sinnen. Man darf einen Helfer nicht zu sehr kontrollieren, denn sonst wächst sein Widerstand, und dann wird der Umgang mit ihm immer schwieriger.«
»Das reicht vorerst«, sagte Toret. »Wir brauchen weitere Diener.«
»Noch nicht. Die geschaffene Verbindung hat dich erschöpft. Du benötigst Nahrung.«
»Nein«, widersprach Toret. Er hätte gern Blut getrunken, aber derzeit musste er fasten. »Ich möchte in der Lage sein, ein Leben so schnell aufzunehmen, dass mein Opfer über den Tod hinaus existiert.«
»Wie du wünschst.« Chane nahm seine Sachen vom Tisch. »Dann sollten wir vielleicht der Herrin folgen.«
Er ging mit seinen Habseligkeiten zur Tür.
Toret legte dem Wolf langsam die Hand auf den Kopf, dem ersten von vielen neuen Dienern. Das Tier knurrte leise, wich aber nicht aus. Wenn Toret das Halbblut und die hellhäutige Dhampir fand, erwartete sie eine große Überraschung. Im Vergleich dazu würden die letzten Tage in Miiska wie eine harmlose Rauferei erscheinen.
8
Leesil ließ sich nicht leicht von Vornehmheit und Würde beeindrucken, aber als er durch den breiten Eingang des »Eschenwald« trat, ging er langsamer.
Große Ölgemälde hingen an weißen Wänden. Torbögen, Fenster, Geländer und andere Teile des Inventars bestanden aus dem alten, polierten Holz, das dem Lokal seinen Namen gegeben hatte. Die Muster der Teppiche zeigten Efeuranken und Waldszenen. Elegant gekleidete Männer und Frauen schritten umher. Links erstreckte sich ein Speisesaal und rechts ein großes Spielzimmer mit Tischen für Karten, Würfel, einem Glücksrad und einer Kuriosität, bei der es darum ging, markierte Plättchen auf einer Anordnung aus Quadraten herumzuschieben. Weiter vorn sah Leesil einen breiten Flur, ausgelegt mit einem waldgrünen Teppich, der an einer Treppe endete. Im Obergeschoss vermutete er Zimmer mit einem Luxus, den er sich vermutlich nie würde leisten können.
Zwischen den Gästen zeigten sich Kellner und einige sehr große und kräftig gebaute Männer. Letztere gingen langsam umher oder standen neben Torbögen und beobachteten das Geschehen. Sie trugen weder Uniformen noch sichtbare Waffen, aber jeder von
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