Dhampir - Seelendieb
ein Elfenschiff vor Anker. Vielleicht kam er von dort. Sicher ist nur, dass der Rabe einen Mann mit Elfenblut in den Adern gesehen hat.«
»Wo?«, fragte Toret schnell. »Wie war er angezogen? Was machte er?«
Chane zuckte mit den Schultern. »Im Händlerviertel im Süden der Stadt. Der Mann ging eine Straße entlang. Ich habe nicht gesehen, woher er kam, wohin er ging und was er anhatte. Er band sich etwas um den Kopf, vermutlich ein Tuch. Mehr hat Tihko nicht beobachtet.«
Toret wanderte ziellos umher, tiefe Falten furchten seine Stirn. Plötzlich blieb er stehen und strich mit der einen Hand seitlich über die Brust, als fühlte er dort etwas.
»Ja«, murmelte er. »Das verdammte Halbblu t … Aber woher wissen sie, dass ich hier bin?«
»Wen meinst du?«, fragte Chane.
Für einen Moment schien es so, als hätte Toret nichts gehört. Dann sah er Chane an.
»Ich erkläre es dir später«, sagte er. »Vorhe r … Schick den Vogel wieder los. Er soll herausfinden, wo das Halbblut wohnt.«
Chane öffnete das Fenster und setzte Tihko auf dem Sims ab. Der Rabe neigte den Kopf und beobachtete ihn mit einem Auge. Chane projizierte seine Gedanken ins Selbst des Vogels, verstärkte das Bild des weißhaarigen Mannes und beauftragte Tihko, ihn bis zum Morgengrauen zu suchen.
Der Rabe sprang und stieg auf, und Chane hatte das Fenster gerade wieder geschlossen, als Schritte die Treppe herunterkamen.
»Ich habe mich umgezogen«, verkündete Saphir. »Bringst du mich jetzt endlich in die Stadt?«
Sie trug ein lavendelblaues, schlichteres Gewand, das nicht so tief ausgeschnitten war wie das andere, aber noch immer reichlich Haut zur Schau stellte. Toret zögerte und schien nicht sicher zu sein, ob es sich wirklich um eine Verbesserung handelte.
»Na schön«, sagte er schließlich. »Aber hab noch ein wenig Geduld. Chane und ich müssen noch etwas erledigen und können dich erst später begleiten.«
Saphirs Mund klappte auf. Bevor sie ein weiteres Wort kreischen konnte, warf Chane ein: »Wenn ich eine Kutsche hol e … Dann könnte sie bereits zum Lokal ihrer Wahl fahren.« Er richtete einen festen Blick auf Saphir. »Vorausgesetzt natürlich, sie verlässt es nicht, bis wir später nachkommen.«
Toret schien damit einverstanden zu sein.
»Wir müssen uns auf unsere Aufgabe konzentrieren«, sagte Chane. »Und die Herrin kann uns nicht dabei helfen.«
Er wölbte eine Braue und hoffte, dass sein Herr klug genug war, den Hinweis zu verstehen.
Toret wirkte für einen Moment verwirrt und nickte dann. »Ja, ich schätze, da hast du recht.«
Saphir eilte durch den Raum und umarmte Toret, warf Chane dabei einen koketten Blick zu.
»Der ›Eschenwald‹. Ich möchte zum ›Eschenwald‹«, sagte sie und biss vorsichtig in Torets Ohr. Doch ihr Blick blieb auf Chane gerichtet.
Der deutete eine höfliche Verbeugung an. Ein Dummkopf ist wirklich genug, dachte er.
Toret zitterte, als er auf dem schmutzigen Kellerboden saß und die Messingkapsel hielt, die Chane ihm in die Hände gedrückt hatte. Es lag nicht an der Kälte oder dem großen grauen Wolf, der gefesselt, angekettet und mit Maulkorb versehen vor ihm lag, auch nicht an dem Zauber oder Ritual, dem Chane ihn und das Tier unterziehen wollte. Er zitterte, weil er versuchte, sich an seiner neuen Existenz festzuklammern.
Irgendwo in der Stadt befanden sich das Halbblut und die verdammte hellhäutige Dhampir.
Er war sich sicher, obwohl Chanes gefiederter Helfer den weißhaarigen Mann nicht deutlich gesehen hatte. Aber was konnte sie veranlasst haben, nach Bela zu kommen und hier nach ihm zu suchen? Er war vorsichtig gewesen, obwohl Saphir dazu neigte, alles zu übertreiben. Sie war noch jung in diesem Leben nach dem Tod und würde es mit der Zeit lernen. Davon ging er aus. Und Chane war zu anspruchsvoll und elitär; er hatte bestimmt nichts getan, was Aufmerksamkeit erregte. Trotzdem weilten die Jägerin und ihr Partner in der Stadt. Sie suchten nach ihm und wollten ihn auslöschen, wie sie es mit Teesha und Rashed getan hatten.
Er würde nicht noch einmal weglaufen, so wie in Miiska. Er hatte zu viel zu verlieren. Über zwei Monde waren seit dem letzten Kampf gegen den Halbelf vergangen, und er fühlte noch immer den Schmerz der Stilettklingen.
Eine Hand wäscht die andere.
Toret glaubte erneut zu spüren, wie sich ihm zwei scharfe, spitze Klingen in die Seiten gebohrt hatten. Er fühlte und hörte, wie seine Rippen brachen, als der Halbelf beide Klingen nach unten
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