Dhampir - Seelendieb
ihnen trug ein weißes Hemd und eine dunkle Hose aus gutem Stoff.
Leesil fühlte sich falsch gekleidet und erneut fehl am Platz. Bevor sich der nächste Wächter nach ihm umdrehen konnte, schlüpfte er ins Spielzimmer.
Einige Gäste bedachten ihn dort mit neugierigen oder missbilligenden Blicken, doch die meisten blieben auf ihr Spiel konzentriert. Er zählte sieben Personen am Pharo-Tisch. Die meisten Spieler waren in mittleren Jahren, und angesichts der wenigen Münzen in seinem Besitz konnte er beim Pharo kaum gewinnen.
Der Duft von Pfeifenrauch stieg Leesil in die Nase, und als er den Kopf drehte, sah er, dass am Tisch unweit der Theke Zwei Könige gespielt wurde. Eine attraktive Frau Mitte vierzig begegnete seinem Blick und lächelte. Leesil erwiderte das Lächeln höflich und näherte sich dem Tisch, woraufhin das Gesicht der Frau noch freundlicher wurde.
Ihr goldbraunes Haar war hochgesteckt, und sie trug ein waldgrünes Kleid, das sie mit den Farben des Lokals verschmelzen ließ. Ein olivgrünes Tuch war wie eine Schärpe um die Taille geschlungen. Etwas an dem Kleid verwunderte Leesil. Es hatte einen hohen Kragen und keinen Ausschnitt, wie die Gewänder der meisten anderen Frauen.
»Möchtest du spielen, Herr?«, fragte sie.
»Wenn an dem Tisch noch ein Platz frei ist, wäre es mir eine Ehre«, erwiderte Leesil.
Die anderen Spieler am Tisch schienen fast ausschließlich vornehm und reich zu sein. Der Geber, ein bleicher Mann mit schlecht sitzender Perücke, war von dem Vorschlag der Frau alles andere als begeistert.
»Meine liebe Madam e … «, brachte er hervor.
Leesil begriff, dass er eine unsichtbare Standeslinie überschritten hatte und es riskierte, hinausgeworfen zu werden. Nach Lanjow, den Stadträten und anderen hochnäsigen Adligen, denen er in den letzten Tagen begegnet war, hatte er genug von Aufgeblasenheit.
Einem rechts von der Frau sitzenden jungen Mann schien das Gebaren des Gebers peinlich zu sein. Er zog einen freien Stuhl von einem Nebentisch heran. Als Leesil Platz nahm, verzogen einige der anderen Spieler das Gesicht, und zwei von ihnen wechselten einen besorgten Blick.
»Ich bin Madame Lenska«, sagte die Frau. »Mein Mann und ich sind geschäftlich in Bela.«
»Und welche Geschäfte sind das?«, fragte Leesil.
Madame Lenska lachte und flüsterte in einem verschwörerischen Ton: »Schnecken.«
Der junge Mann neben ihr blinzelte überrascht. »Schnecken?«
»Ja«, bestätigte sie. »Es klingt seltsam, aber die Nachfrage nach ihnen lässt sich kaum befriedigen. Wir haben Verträge mit einigen guten Lieferanten geschlossen.« Sie beugte sich zu Leesil. »Ich persönlich kann die kleinen schleimigen Viecher nicht ausstehen.«
Leesil plauderte höflich mit ihr, während der Geber die Karten austeilte. Das Kartenspiel Zwei Könige war recht einfach. Zwar begünstigte die Wahrscheinlichkeit auch hier das Haus, wie immer, aber meistens ging es um niedrige Einsätze. Man gewann, wenn man zwanzig Punkten so nahe wie möglich kam, ohne sie zu überschreiten, und wer in der ersten Runde zwei Könige bekam, hatte automatisch gewonnen. Mit einer Pik-Dame und einer Karo-Neun bei der ersten Runde beschloss Leesil, keine weiteren Karten zu nehmen und sein ganzes Geld zu setzen, insgesamt drei Groschen. Er gewann, und sein kleiner Münzstapel wuchs.
Mehrere Männer sahen ihn verärgert an, aber Madame Lenska lachte erneut.
»Anfänger haben Glück, wie ich hörte, und den Glücklichen gegenüber bin ich großzügig. Möchtest du Wein? Der Burgunder aus Süddröwinka ist ausgezeichnet.«
Leesil zögerte. Wann hatte er zum letzten Mal guten Wein gekostet? Er war fest entschlossen gewesen, nie wieder welchen zu trinken, doch in ihm stieg das Bild der die Treppe hochlaufenden Magiere auf. Sie hielt ihn für einen Trunkenbold und Spieler, noch dazu einen zweitklassigen.
Ein Glas schadete doch nicht, oder?
»Danke«, sagte er. »Du bist sehr freundlich.«
Madame Lenska schnippte mit den Fingern und richtete einige leise Worte an eine junge Kellnerin. Wenige Momente später wurde ein großer, mit roter Flüssigkeit gefüllter Zinnbecher neben Leesil auf den Tisch gestellt.
Er versäumte es, den Geber beim Austeilen der Karten zu beobachten, trank langsam einen großen Schluck und fühlte, wie ihm die herrlich schmeckende Flüssigkeit durch die Kehle rann. Er setzte wenig, verlor zwei Spiele, gewann vier und stellte fest, dass der Becher leer war. Mit einem Blick auf seine Münzen stellte
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