Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Herzogin vermutlich noch mehr verärgert. Was also gab es sonst noch, das sie zurückhalten sollte? Nur eine Sache …
Chane riet ihr offenbar, über Bäalâle Seatt zu schweigen.
»Sonst nichts?«, fragte Chuillyon.
»Nein«, antwortete Wynn. »Ich hatte zu wenig Zeit. Das Übersetzen ist eine sehr mühevolle Arbeit.«
»Aber das Geschöpf glaubt, Ihr wisst etwas.« Die plötzlichen Worte des Hauptmanns kamen fast ebenso überraschend wie die Chanes.
»Wie bitte?«, erwiderte Wynn.
»Es muss glauben, dass Ihr wisst, wonach es sucht«, sagte der Hauptmann mit kühler Ruhe. »Oder es wäre Euch nicht gefolgt.« Er wandte sich an Chuillyon. »Sie hat nichts Nützliches zu bieten; wir müssen also zu Asche-Splitters Plan zurückkehren. Sollen die Steingänger versuchen, das Wesen in eine Falle zu locken, mit der jungen Weisen als Köder.«
»Kommt nicht infrage«, zischte Chane.
Wynn ergriff seinen Arm, als sowohl er als auch der Hauptmann ihre Schwerter ziehen wollten.
»Weise!«, blaffte die Herzogin und schloss dann kurz die Augen, wie um sich zu fassen. »In Calm Seatt scheinst du zusammen mit Hauptmann Rodian in der Lage gewesen zu sein, den … Übeltäter zu bezwingen oder zumindest zu verletzen. Wie?«
Wynn musterte Reine, deren Gesicht nicht im klassischen Sinn schön war, aber durchaus seinen Reiz hatte.
»Rodian hatte damit nichts zu tun«, antwortete Wynn. »Chane und Schatten hielten den Wrait lange genug unter Kontrolle, damit Domin il’Sänke ihn für einen Moment festhalten konnte. Der Hauptmann und seine Männer hätten unsere Bemühungen fast ruiniert. Irgendwie gelang es mir trotzdem, den Sonnenkristall des Stabs erstrahlen zu lassen.«
Wynn zögerte voller Schmerz angesichts der verlorenen Leben.
»Unser Plan hätte funktionieren sollen. Ich habe den Wrait beobachtet.« Sie betonte das Wort und richtete den Blick auf Chuillyon. »Ich habe gesehen, wie das Licht ihn zerriss. Aber wir haben ihn nur so weit geschwächt, dass wir in jener Nacht mit dem Leben davonkamen.«
Alle – insbesondere der Hauptmann – hörten schweigend zu. Er beäugte den Stab in Wynns Hand.
»Die Weise sollte in der Nähe bleiben«, sagte er. »Selbst wenn der Stab weniger zu leisten vermag, als sie behauptet.«
Wynn spürte, wie Chane den Arm um ihre Taille schlang und sie zurückzog.
Schatten knurrte, schob sich zentimeterweise durch den offenen Zugang und legte die Ohren an. Ihr Rückenfell sträubte sich.
»Zu spät!«, flüsterte Chane. »Er ist hier!«
Sau’ilahk erreichte das untere Ende des Schachtes und spähte durch den Haupttunnel der Unterwelt. Gelblicher Dunst trieb durch den Schacht und umgab ihn.
Als das heraufbeschworene Gas den Raum mit der gewölbten Decke gefüllt hatte, war ihm vor dem Tod des letzten Zwergs nur wenig Zeit geblieben, Lebenskraft aufzunehmen. Nicht einer von ihnen hatte den Glockenstrang erreicht, doch der Gewinn an vitaler Energie war gering gewesen. Er hob die Hände und beobachtete, wie sie für einen Moment durchsichtig wurden.
Die Spitze einer stählernen Klinge ragte plötzlich aus seiner Brust.
Sau’ilahk wirbelte herum und sah sich einer älteren Zwergin gegenüber, die ein Panzerhemd aus schwarzen Schuppen trug. Doch der Aufzug war nicht heruntergekommen.
Diese Steingängerin war aus der Felswand hinter ihm getreten.
Sie hielt einen zweiten langen, dreieckigen Dolch in den Händen. Dunkelblondes Haar hing zu beiden Seiten ihres breiten Gesichts, in dem sich keine Überraschung darüber zeigte, dass ihre erste Klinge nicht den geringsten Schaden angerichtet hatte.
Angetrieben von der Möglichkeit, mehr Lebenskraft zu erbeuten, sprang Sau’ilahk nach vorn.
Die Zwergin rührte sich nicht, bis seine Hand fast ihre Brust erreicht hatte.
In dem Augenblick, als seine Finger ihren Körper berührten, drückte die Zwergin ihre rechte Hand, die noch immer den Dolch mit breiter Klinge hielt, an die Felswand.
Stein floss über ihren Leib und das Gesicht.
Das Gefühl des Lebens verschwand, und jähe Furcht erfasste Sau’ilahk, denn ihm fiel ein, wie sein Arm, festgehalten von dem alten Steingänger in der Haupthöhle, stofflich geworden war. Er riss die Hand zurück, bevor der fließende Stein sie erreichte, und wich in den Tunnel, der vom Aufzugschacht in die Unterwelt führte.
Die Steingängerin war nicht einmal zusammengezuckt. Mit zornig funkelnden Augen sah sie ihn an.
»Komm!«, forderte sie ihn auf Zwergisch heraus. »Nimm meinen Stein, wenn du kannst,
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