Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
Tunnel.
»Hast du etwas herausgefunden?«, fragte er.
Schatten näherte sich und drückte ihre Schnauze an Wynns Wange. Sie schlang die Arme um die Hündin, während sie noch kaute. Dann erzählte sie von ihren wenigen Entdeckungen.
Chane ging vor ihr in die Hocke, hörte aufmerksam zu und sah zur Tür.
»Was ist?«, fragte Wynn.
Schatten löste sich aus ihren Armen und stellte die Ohren auf.
Herzogin Reine, Chuillyon und Hauptmann Tristan näherten sich durch den Tunnel.
Wynn erhob sich neben Chane. Ohne einen bewussten Gedanken nahm sie den Stab und hielt ihn fest in der Hand, aus Furcht, er könnte ihr erneut weggenommen werden.
»Was hast du erfahren?«, fragte die Herzogin, als sie noch einige Schritte entfernt war.
Wollte sie dieses Gespräch im Tunnel führen?
Chane steckte den Ring ein und legte die Hand ans Heft des Schwerts.
Warum hatte er den Ring abgenommen? Wenn die Steingänger, insbesondere Asche-Splitter, den Wrait als Untoten wahrnahmen – drohte ihm ohne den Ring dann nicht Entdeckung?
Chuillyon ging langsamer und fiel hinter die beiden anderen zurück. Er traf drei Schritte nach der Herzogin und dem Hauptmann ein, den Blick auf Chane gerichtet.
»Nun?«, fragte die Herzogin etwas schärfer.
»Ich habe nur wenig entdeckt«, sagte Wynn. »Meister Bollwerk hat mich zu früh abgeholt. Ich brauche mehr …«
»Halt mich nicht zum Narren!« Die Herzogin kam zwei schnelle Schritte näher.
Wynn zwang sich zur Ruhe, doch ein bitterer Gedanke fand Worte. »Es ist bedauerlich, dass Ihr in Calm Seatt weniger Interesse gezeigt habt. Andernfalls wären einige Leute noch am Leben.«
»Das reicht!«, sagte Chuillyon und strich seine Kapuze zurück.
Das orangefarbene Licht aus dem Tunnel hob die Falten in seinen Augenwinkeln hervor. Wynn fragte sich, wie alt er sein mochte.
»Bitte fahrt fort«, sagte er.
Wynn wusste, dass sie nicht umhin kam, von ihren Entdeckungen zu berichten. Was jedoch nichts daran änderte, dass sie sich wünschte, mehr Zeit für die alten Texte zu bekommen.
»Das eigentliche Ziel des Wraits habe ich noch nicht herausgefunden«, sagte sie. »Aber ich glaube, ich kenne seinen Namen. Und vielleicht weiß ich auch, welche Rolle er im Krieg gespielt hat.«
»Im Krieg?«, wiederholte die Herzogin verächtlich.
»Wie lautet der Name?«, fragte Chuillyon.
»Der Alte Feind hatte drei verschiedene Gruppen von Anhängern«, begann Wynn. Sie erzählte von den Kindern, den Fressern der Stille und schließlich von den Ehrfürchtigen, einer religiösen Kaste. Das wenige, das sie über die Vereinbarung mit dem Geliebten wusste, ließ sie aus. Nur eines fügte sie hinzu:
»Sein Name war – ist – Sau’ilahk, Hohepriester von Asche-Splitters sogenanntem Nachtstreicher.«
Chuillyon starrte ins Leere und gab keinen Ton von sich. Wynn fragte sich, was ihm jetzt durch den Kopf ging.
»So ein Unsinn!«, entfuhr es Reine. »Ich habe deine Lügen satt. Zu behaupten, der Magier stamme aus einer Zeit, als …«
»Ruhe!«, befahl Chuillyon.
Die Herzogin wirbelte zu ihm herum. »Ihr könnt doch nicht glauben …«
»Ich habe Euch gesagt, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, an Unglauben und Zweifel festzuhalten!« Der Elf wandte sich wieder an Wynn. »Habt Ihr nicht mehr darüber erfahren, was er will und wie wir mit ihm fertigwerden können?«
Wynn zögerte. Chuillyon akzeptierte ihre Worte überraschend schnell, trotz der Skepsis der Herzogin. Man hatte ihre Berichte so oft zurückgewiesen und als Lügen oder Verrücktheiten bezeichnet, dass diese bereitwillige Akzeptanz sie misstrauisch machte. Sie gewann den beunruhigenden Eindruck, dass Chuillyon es mit neuen Taktiken versuchte, woraus der Schluss gezogen werden musste …
Hatte er früher schon einmal und mit anderen Methoden versucht, diesem monströsen Geist beizukommen?
Und es gab da noch etwas, wonach der Wrait vielleicht suchte, ebenso wie sie.
»Möglicherweise möchte er …«
»… den letzten bekannten Aufenthaltsort anderer Kinder herausfinden«, warf Chane ein.
Das verblüffte Wynn. Über solche Angelegenheiten sprach Chane normalerweise nur mit ihr. Als er den Blick senkte, bemerkte Wynn, wie er andeutungsweise den Kopf schüttelte. Sie hatte der Herzogin und Chuillyon fast alles gesagt, das den Wrait betraf – abgesehen von Sau’ilahks Wunsch nach ewigem Leben. Was diesen Punkt betraf, war sie noch immer nicht sicher, zu den richtigen Schlussfolgerungen gelangt zu sein, und ein Hinweis darauf hätte die
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