Dhampir: Steinerne Flut (German Edition)
nach Norden. Nach einem kurzen Stück findet ihr eine Schmiede; ihr könnt sie nicht übersehen. Aber es sind nur zwei Eisenborten unter uns: Skirra Yêarclág Jäyne a’Duwânláh, die Tochter, und ihre Mutter Meránge.«
Chane konnte mit dem langen Namen nichts anfangen, doch er wusste von Wynn, dass Yêarclág »Eisenborte« bedeutete und in einer direkten familiären Abstammungslinie auf einen Vorfahren zurückging.
Wynn schwankte auf ihrem Stuhl. »Warum … klingt Ihr … traurig … wenn Ihr von ihnen sprecht?«
Das Lallen wurde stärker.
»Die fünfte Straße auf der rechten Seite«, wiederholte Hammer-Hirsch und wechselte einen besorgten Blick mit Carrow.
»Und was ist mit … meinen Gefährten?«, fragte Wynn und gab sich Mühe, die Worte richtig auszusprechen. Ihre glasigen Augen wurden feucht. »Magiere und Leesil … Chap … Wo sind sie?«
Hammer-Hirsch schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Wynn von den Hygeorhts. Nachdem sie mir bei meiner eigenen Kühnheit geholfen hatten, fragte ich sie nach ihrer Reise. Aber sie wollten nichts darüber verlauten lassen und blieben lieber für sich. Sie waren nach Norden unterwegs, vielleicht zu einer der nordländischen Küstenstädte.«
Wynn schloss die Augen, und Chane beobachtete, wie ihr eine Träne über die Wange rollte. Sie wirkte sehr enttäuscht, wie einer großen Hoffnung beraubt. Und sie war betrunken. Chane befürchtete, dass sie hier am Tisch zusammenbrach.
Wynn blickte zu Hammer-Hirsch hoch, und Chane sah Verzweiflung in ihren Augen.
»Aber sie leben?«, flüsterte sie.
Hammer-Hirsch beugte sich zur ihr und lächelte. »Jene drei sind listig und schlau. O ja, du große kleine Menschenfrau, ich bin sicher, dass sie noch leben!«
Chane stand auf. »Wir danken Euch für Eure Hilfe«, sagte er und wählte wie Wynn die förmliche Anrede für den Thänæ.
»Nicht der Rede wert«, erwiderte Hammer-Hirsch geistesabwesend. Dann lachte er und stieß Wynn sanft an die Schulter. »Bei unserem Handel habe ich besser abgeschnitten.«
Der kleine Stoß mit nur einem Finger genügte fast, um Wynn zur Seite kippen zu lassen. Hammer-Hirsch hielt sie fest, bevor Chane die Hand ausstrecken konnte, und bedachte die junge Weise mit einem Blick, in dem so etwas wie Zuneigung zum Ausdruck kam.
»Das Bier musste sein, es gehört zum Erzählen«, sagte er. »Du hast uns heute Abend sehr erfreut. Eine dunkle Geschichte war es, aber auch eine neue, die wir nie zuvor gehört hatten!«
»Eine dunkle?«, erwiderte Wynn leise. »Nicht im Vergleich mit den anderen, die ich kenne.«
Es reichte Chane. Er nahm Wynn unter den Armen und zog sie hoch. Sie widersetzte sich ihm, bis er ihr ins Ohr flüsterte: »Lass uns gehen und die Eisenborten finden.«
In Wirklichkeit wollte er sich mit ihr auf die Suche nach einer Unterkunft machen, aber zuerst musste er sie durch die Tür bekommen.
»Ja, zu den Eisenborten!«, sagte Wynn laut und versuchte auf eigenen Beinen zu stehen. Sie schwankte und sah auf Hammer-Hirsch hinab. »Auf Wiedersehen, Thänæ. Und vielen Dank.«
Chane wollte nicht, dass sich die Abschiedszeremonie in die Länge zog – er wandte sich dem Ausgang zu, und Schatten folgte ihm. Während er Wynn zur Tür lenkte, ging ihm ihre Geschichte nicht aus dem Kopf.
Er sah sie auf dem Podium, mit ausgestreckter Hand und die Finger wie Krallen um das Herz eines Anmaglâhk gekrümmt.
5
Nach all dem Pfeifenrauch atmete Wynn frische Luft und wankte fort vom Begrüßungshaus. Deshalb war ihr so schlecht, wegen all des Rauchs. Sie war nicht betrunken, nicht nach einigen Schlucken Bier.
Der Kalkstein-Hauptweg erstreckte sich dunkel und verschwommen vor ihr. Chane hielt sie noch immer am Arm fest, und sie löste sich aus seinem Griff. Sofort schwankte sie.
»Fünf Tunnel … auf der rechten Seite«, murmelte Wynn.
Schatten jaulte leise und stellte die Ohren auf.
»Nein, wir suchen ein Gasthaus«, sagte Chane.
»Es geht mir gut … Komm jetzt.«
»Du musst deinen Rausch ausschlafen.«
Wynn errötete empört. »Was soll ich ausschlafen?«
Für wen hielt er sie? Ohne sie wäre er nicht einmal hier gewesen, und jetzt verhielt er sich wie … wie Hochturm, wurde scheinheilig, überheblich und spießig.
»Es geht mir gut «, wiederholte sie. »Ich brauche nur ein bisschen frische Luft.«
»Und wo willst du sie finden, so tief unter der Erde?«, krächzte er. »Ich bin unter Adligen aufgewachsen, die zu trinken begannen, kaum dass die Sonne unterging. Ich weiß,
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