Dhana - Im Reich der Götter
übrig
gebliebene Männchen und schlug mit seinem Stab auf es ein.
Langsam brach das
Spinnerling-Weibchen zusammen. Als es aufgehört hatte, sich zu bewegen, fiel
Zitterbart von der Spinnwarze ab. Das flüssige Gewebe, das der Finsterling
aufgenommen hatte, ergoss sich als nutzlose Pfütze auf den Boden. Der Kopf der
Spinnen-Frau fiel zurück. Blättchen schälte sich von ihrem Gesicht. Dhana sah
Blasen auf dem huttragenden Finsterling an Stellen, die in Nase und Mund des
Spinnerling-Weib- chens gesogen worden waren. Blättchen hatte es erstickt.
Numairs Gegner starb als Letzter. Als der Unsterbliche mit zertrümmertem
Schädel zu Boden sank, verflüssigte sich das
Spinnengewebe, das Dhana
gefesselt hielt, und floss davon. Sie war frei.
»Numair?« Er stand regungslos
mit dem Rücken zu ihr, auf seinen Stab gestützt. Es sah aus, als starre er den
toten Spinnerling an. Angsterfüllt rappelte sich das Mädchen hoch, erst auf
die Knie, dann auf die Füße. Als sie aufrecht stand, schwankte sie. »Bitte ...
Ist alles in Ordnung mit dir?« Langsam drehte er sich um. »Du ... du ... lebst!
Ich dachte ...« Sie stolperte zu ihm. »Es tut zu weh, als dass ich tot sein
könnte.« Numair ließ den Stab fallen und riss sie in seine Arme. Sie legte ihre
Arme um seinen Hals. Er streichelte ihren Rücken. Dhana vergrub ihre Finger in
seinen Haaren. Sie löste sich von ihm und versuchte ihn richtig anzusehen. Ihre
Blicke trafen einander in einem atemlosen Moment. Dhana wurde es plötzlich ganz
heiß. Dann küsste Numair sie auf den Mund, sein warmer Atem vermischte sich mit
ihrem eigenen.
Dhana war in den letzten
beiden Jahren schon ab und zu geküsst worden. Der Sekretär Perin, der
beharrlichste ihrer Verehrer, hatte es seit Mittwinter, vor Ausbruch des
Krieges, des Öfteren versucht. Noch einen Augenblick zuvor hätte sie gesagt,
dass sie Küssen sehr schön finde.
Dies jedoch war anders.
»Schön« beschrieb nicht einmal im Ansatz den Aufruhr in ihrem Körper und in
ihrem Herzen. Numair löste seinen Mund von ihren Lippen. »Nein«, flüsterte sie
und zog Numair wieder an sich. Diesmal küsste er zärtlicher, strich mit seinen
Lippen sacht über ihre.
Gut, dass er mich hält, dachte
sie. Bestimmt würde ich sonst fallen.
Er trennte sich mit einem
leisen Lachen von ihr und trug sie zu einem großen Felsblock. Dort setzte er
sich und zog Dhana auf seinen Schoß. »Der Göttin sei Dank«, flüsterte er und
strich ihr die Locken aus dem Gesicht. »Zauberlehrling, ich dachte, ich hätte
dich verloren.«
Neben all ihren soeben
gemachten Erfahrungen war das einfach zu viel. Sie legte ihr Gesicht an seine
Schulter, damit er ihre Tränen nicht sehen konnte. Er schien damit zufrieden,
einfach die Arme um sie zu legen, die Lippen in ihrem Haar. Die Finsterlinge
auf dem Boden beobachteten die Menschen, die kleinen Köpfe zur Seite geneigt.
Als Dhana die beiden bemerkte, musste sie lächeln.
»Wir müssen uns ausruhen und
etwas essen«, meinte Numair nach einer Weile. »Bald wird es zu heiß zum
Marschieren sein und den Weg können wir genauso gut von hier aus wieder finden.
Wenn ich mich recht erinnere, ist dieser Fluss auf der Landkarte eingezeichnet.
Er verläuft parallel zu unserer Route und verlässt die Schlucht in der Nähe des
Weges. Wenn du dich besser fühlst, könntest du vielleicht hochfliegen und das
feststellen. Was meinst du?« Sie antwortete nicht.
»Kleines?« Als er den Kopf
verdrehte, um ihr Gesicht zu sehen, merkte er, dass sie eingeschlafen war.
Seufzend stand er auf. Zu den Finsterlingen sagte er: »Suchen wir einen
Schattenplatz.«
». . . falls ich das recht
verstanden habe . . . mit allem Respekt, werter Dachs, aber ich gestehe, ich
bin etwas verwirrt.« Dhana lächelte im Traum. Königin Thayet von Tortall war
niemals verwirrt. »Ihr und dieses ...« »Goldstreifchen«, sagte eine winzige Stimme.
»Sagt mir, dass diese zwei Kreaturen ...« »Finsterlinge«, korrigierte
Goldstreifchen. ». . . diese Finsterlinge aus Ozornes Blut gemacht sind und erschaffen
wurden, um seine Spione zu sein. Jetzt denken sie selbstständig und behaupten,
sie wollen uns helfen, nicht ihm. Ist das korrekt?«
Jawohl. Das war die Gedankenstimme
des Dachses, die er im Reich der Sterblichen benutzte. Jetzt stehen diese
Finsterlinge, die
euch ausspioniert haben, auf
eurer Seite und werden euch berichten, wo der Feind ist.
»Die Möglichkeiten sind
Schwindel erregend.« Dhana drehte sich auf die andere Seite und merkte, dass
sie
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