Dhana - Im Reich der Götter
von
Numairs Hemden und hüllte sich darin ein. Die Kratzer auf ihrem Rücken heilten
rasch, dank der Salbe ihrer Mutter. Dann ging sie zu Numair hinunter.
»Können wir nicht einfach so
weitermachen wie bisher?«, fragte sie. »Das ist ein zu schwer wiegendes
Problem, um es in so ... verrückten Zeiten zu lösen.«
Er sah auf und lächelte
schwach. »Das ist wohl wahr.«
»Ich weiß, dass ich dich
liebe. Vielleicht habe ich dich schon immer...«
»Genau davor habe ich mich
gefürchtet.« Sie ging nicht auf seinen gespielt neckischen Ton ein. »Wenn wir
erst wieder zu Hause sind, wenn der Krieg vorüber ist, werden wir das
herausbekommen. Wir werden dann darüber reden.« Er stand auf, umfing ihr
Gesicht mit seinen Händen und küsste sie zärtlich. »Gewiss, das werden wir.«
Die Salbe ihrer Mutter heilte
Dhanas Wunden im Handumdrehen. Während Numair seine überzähligen
Kleidungsstücke für sie kürzte, machte sich Dhana die mächtigen Aufwinde in der
Schlucht zu Nutze und ließ sich von ihnen in Falkengestalt über den Rand der
Felsen hinauftragen. Von dort aus flog sie stromaufwärts, bis sie den Pfad der
Zerstörung fand, den sie bei ihrem Sturz hinterlassen hatte.
Hier war der Weg, auf dem sie
gegangen war, ohne den Haufen grauer Steine. Sie folgte ihm durch gewundene
Steinalleen und hielt sich dabei hoch genug, um auch den Fluss noch sehen zu
können. Numair hatte Recht gehabt. Wenn sie dem Wasserlauf folgten, trafen sie
dort wieder auf den Weg, wo der Fluss ins offene Buschland hinaustrat. Dahinter
lag die Wüste ... das Sandmeer.
Sie kehrte zu Numair zurück
und zog die Sachen an, die er für sie gekürzt hatte. Nachdem die schlimmste
Hitze vorüber war, brachen sie wieder auf, bremsten aber das Tempo, um einen
Hitzschlag zu vermeiden. Als sie sich nach Einbruch der Dunkelheit der Stelle
näherten, an der sie ihren alten Weg wieder aufnehmen konnten, ahnte Dhana Sturmflügel.
Mit Sicherheit war Rikash da. Sie glaubte auch mindestens zwei seiner Gefährten
zu kennen.
Durch einen Spalt zwischen
zwei Felsblöcken hielt sie Ausschau nach den wartenden Sturmflügeln. Dann
seufzte sie erleichtert. Sie kannte zwei von den anderen tatsächlich. Ein
gekröntes Weibchen glich im Aussehen einer Sterblichen in den Fünfzigern. Ihre
hervorstechende Nase über einem Mund, wie von der Hand eines Meisterbildhauers
geschnitten, war außergewöhnlich, ihre dunklen Augen unter perfekten, schwarzen
Brauen blickten gebieterisch. Das Mädchen dachte, dass Königin Barzha von der
Steinbaum-Nation der Sturmflügel in ihrer Jugend eine Schönheit gewesen sein
musste. Das Alter hatte eine gewisse Würde hinzugefügt. Ihr jüngerer Begleiter,
Hebakh, hatte ein blasses Gesicht, dessen verkniffener Ausdruck von leicht
irren, grauen Augen über einer Adlernase gemildert wurde. Dhana trat ins Freie.
»Hallo!«
Einige der Unsterblichen, die
sich in der Nähe des Weges herumtrieben, hüpften erschrocken hoch. Die Luft
war erfüllt von metallischem Klicken, als sich Stahlfedern aufplusterten und wieder umlegten.
»Könnt ihr eigentlich keinen
Lärm machen?«, fragte einer von ihnen erbost, als Numair vortrat.
»Ihr ernährt euch von der
Angst, aber selber spüren wollt ihr sie nicht?«, fragte Numair unschuldig.
Als der Unsterbliche seinen
Mund zu einer Entgegnung öffnete, sagte Dhana: »Genug, alle beide!« Sie
verneigte sich vor dem gekrönten Weibchen und ihrem Gefährten. »Königin Barzha
und Lord Hebakh, darf ich Euch Numair Salmalm vorstellen?« Er hatte die
Sturmflügel schon in Carthak gesehen, aber sie glaubte nicht, dass sie einander
ordentlich vorgestellt worden waren. »Dies ist Blättchen...« Der Finsterling
nickte mit seinem behüteten, knopfartigen Kopf. »Und das ist Zitterbart.« Der
Finsterling unter Numairs Hemd streckte einen Fangarm heraus, winkte kurz und
verschwand in seinem Versteck. »Er hat bisher noch nie Königliche Hoheiten
getroffen, soviel wir wissen«, erklärte Numair. Er verneigte sich elegant vor
Rikashs Königin und deren Begleiter. »Darf ich sagen, dass es gut ist, Euch
wieder zu sehen?«
»Solange der Wind in die
entgegengesetzte Richtung weht, richtig, Sterblicher?«, höhnte eine männliche
Stimme aus der hinteren Reihe des Schwarms.
»Hast du an meiner
Entscheidung etwas auszusetzen, Vekkat?«, fragte Barzha, ohne ihren Blick von
den Menschen zu wenden. »Sind noch irgendwelche Fragen offen?« Es erfolgte
keine laute Antwort, doch Dhana konnte Stimmen flüstern hören: »Halt
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