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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Erlösung. Ein Toggeli ist wie ein Irrlicht auf dem Weg durch den Sumpf. Es verlangt nach dir, es ruft dich. Du folgst und fällst. Aber ein Toggeli kann nicht zu einem beliebigen Menschen eine Beziehung anfangen. Der Mensch, den es sich aussucht, muss seine Ängste und seine Freuden teilen. Dieser Mensch muss seelenverwandt sein, nur dann kann er das Toggeli erlösen, um selber den langen Weg anzutreten. So ist das Toggeli ein dunkles Engelwesen, fest an dein Schicksal geknüpft. Obwohl es dich in die Dunkelheit führt, wird es der einzige Weg sein, dass du wieder Erlösung finden kannst. Das darfst du nie vergessen.«
    Der Geruch von Weihrauch und Kerzenwachs lässt mich schaudern. Auch die Heiligenbilder und die Kruzifixe.
    Überall Blut, Märtyrer, Leiden und Tod.
    In der Höhe der gemalte Himmel.
    Das war vor Ewigkeiten, scheint mir.
    Mich jammert heute noch.
    Sonne und Tagesfreuden sind aus der Gegenwart und dem Raum verbannt, in dem ich mich jetzt befinde.
    Ich denke an die vergangenen Tage mit dem kleinen Mädchen. Ich erinnere mich an seine Trauer und seine Sehnsucht nach dem Vater, der keinen Kontakt zu seiner Tochter haben wollte. Ich erinnere mich an die fühlbare Einsamkeit der Kleinen und ertappe mich bei der kindlichen Frage, ob denn der Mensch und das Toggeli nicht in Frieden miteinander leben könnten.
    Ich stelle die gleiche Frage wie damals.
    Blauäugig und dumm. Kindesgeschwätz.
    Das Mädchen im Bett ist plötzlich unruhig. Seine kleinen Brüste bewegen sich stoßweise im Rhythmus des Keuchens. Es wirft den Kopf hin und her. Schweißperlen leuchten auf seiner Stirn.
    Wenn sie nur nicht zu früh aufwacht. Alles wäre umsonst. Einmal mehr …
    »Jesus und Maria. Wo denkst du hin?« Schwester Hildegard bekreuzte sich entsetzt, als sie meine Frage hörte. »Niemals kann ein Träger mit seinem Toggeli in Frieden leben. Es ist immer ein Tausch. Ein unheiliger, wohlverstanden! Wenn nicht ein frommer Mensch von außen rechtzeitig einschreitet, bezahlt der Träger diesen Tausch mit seinem Leben. Aber es ist nicht wie bei den Vampirmärchen. Da gibt es keine Vermehrung. Wie der Stich einer Biene dem Insekt selber den Tod bringt, ist die Geschichte für das Unwesen zu Ende. Das Toggeli ist erlöst, der neue Träger stirbt und wird selbst zum Zwischenweltler. So ein Geist ist immer allein und an Schuld und Sühne gebunden. Wie in der Bibel steht: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Opfer und Erlösung. Jeder ist allein in diesem Kampf von Gut gegen Böse. Das ist die Wahrheit. Die Inkubation beginnt um Mitternacht und endet mit dem Tod des Trägers, außer ein Mann von großer Gottesfurcht und reinem Herzen unterbricht den satanischen Akt.«
    Das Mädchen wimmert. Schwester Hildegard verschwindet sofort aus meinem Kopf.
    Ich bleibe regungslos und starre Löcher in die Schwärze der Nacht. Die Kerze ist längst erloschen. Es wird gleich Mitternacht schlagen und meine Erinnerung wirft mich wieder um Zeitenwenden zurück. Zurück zu Schwester Hildegard und ihren Geschichten. Zurück zu meiner Angst vor dem Tod und vor dem Toggeli , die mich mein Leben lang begleitete.
    Dann stoppt der Strang des Erinnerns in Nachtschwärze: Es war eine düstere Novembernacht und ich war allein Zuhause. Draußen tobte der Wind. Der Hund hatte schon ein paar Mal angeschlagen, als er gegen Mitternacht endlich Ruhe gab. Ich wälzte mich noch eine Weile hin und her, hörte die alten Dielen ächzen und knarren und war gerade eingeschlafen, als ich spürte, dass jemand im Zimmer war.
    Ich öffnete die Augen und sah die Gestalt auf meiner Brust sitzen. Mein Atem stockte, ich wollte schreien, doch das Wesen strich wie mit Schattenflügeln über mein Gesicht und schluckte mein verzweifeltes Stöhnen in sich hinein. Mein Puls raste, als sich der Gnom über mich beugte und ich meinte, seine Gedanken lesen zu können. Er presste seine Gestalt an meinen erstickenden Körper und verschwand in meiner Existenz. Dann konnte ich nichts mehr steuern.
    Ich sah Menschen, wie sie mich in das Leben zurückholen wollten. Ich sah meine Eltern und meine Geschwister. Ich sah ihre Tränen und begleitete meinen Sarg zum Friedhof. Ich sah mich in die Erde versinken und dann, in diesem speziellen Moment, begriff ich, dass Schwester Hildegard Recht gehabt hatte. Seither suche ich verzweifelt die Befreiung und jetzt bin ich hier.
    Das Mädchen jammert mich, aber ich sehe für uns beide keine andere Lösung. Ich hoffe, dass niemand unseren Tausch unterbricht. Ich musste

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