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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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tust, was andere wollen. Du musst dich nicht verbiegen.«
    Er verstand nicht. Er wollte nicht hören, wer er wirklich war, wollte gewinnen und kämpfen, wobei er sicher nicht gewinnen konnte, wo er vor sich selbst davonlief.
    »Ich gebe dir dich«, sagte Gott.
    Sein Herz brach – anders als er gedacht hatte. Mit Geduld und Barmherzigkeit wurde er durch das Nichts getragen. Er aber wollte sein Leben im Griff haben. Gottes Herz, wegen ihm zerbrochen, gab seinem Widerstand gegen seine unbewusste Eigenzerstörung einen tiefen Unterton der Heilung, einen Orgelpunkt von Sinn und Logik, eine volle Kadenz von Wertschätzung und Identität.
    »Ich lasse dich nicht dich selbst kaputtmachen«, sagte Gott.
    Er hatte einen langen Atem, da seine Verzweiflung und seine Sehnsucht aus den von Herzschlag durchdrungenen Schluchten seines Inneren nach außen durch ein Megaphon gedrungen waren.
    Sie schienen nicht zu versiegen, weder seine noch Gottes Schmerzen. Wie lange dieser Kampf, dieser Tanz ging, wusste er nicht. War die Heilung passiert, während er schlief? Es war ein Hoffen in ihm, dass er Gott nicht mehr testen musste, ob dieser ihn wirklich wollte. Er durfte auf ihm lasten.
    Er erinnerte sich. »Das bist du gewesen! Der mich verfolgt hat. Schon die ganze Zeit! Schon mein ganzes Leben. Woher wusstest du …?«
    »Ich bin Gott«, erinnerte er ihn.
    Er hatte es fast vergessen. Er war wie ein Freund auf Augenhöhe. Das Feld seiner Angst war riesig für ihn, undurchdringlich wie ein Urwald. Selbst getragen auf starken Armen fiel es ihm schwer, Schritt für Schritt dieses Feld seines Herzens zu begehen. Er fühlte sich, als wöge er nichts.
    »Du bist da«, sagte Gott.
    Er spürte sich. Seltsam, dass es ihn gab. Wozu? Er probierte sich nach allen Seiten aus, atmete. Das Feld war nicht bedrohlich, es war nur sehr vernachlässigt und tat ihm leid. Er war betroffen.
    »Kann ich nicht irgendwo anders neu anfangen?« Er sah sich skeptisch um. Kahl und hell sah alles aus, fremd. »Muss ich meine Geschichte hier fortführen?«
    Gott nickte. »Ja. Bleibe hier. Es ist unsere Geschichte. Es ist die große Geschichte. Will, was du musst.«
    Er schämte sich für sein Feld. Die Dämonen hatten alles zerbissen. Eine Reise woanders hin schien ihm sehr verlockend. Das Feld hier schrie nach Arbeit, mehr noch, schrie nach Liebe. Er seufzte.
    »Wollen, was ich muss. Wie kann ich mich zwingen, dies hier zu wollen?«
    Da blies Gott seinen Atem in sein Feld, so dass seine Kraft wirbelte und flog wie ein Same durch eine Wiese. »Du willst«, sagte er. »Und du wirst sehen, dein Feld wird schnell blühen. Du wirst wachsen.« Er ließ es regnen mit warmen Wolken voll Trost und Ermutigung.
    Sein altes Herzklopfen kam zurück. Der Gottesschock saß ihm tief im Herzen. Die Details legten sich über die Furcht vor dem großen Unbekannten. Es war kühler Abend geworden, war nicht mehr heißer Mittag. Ein angenehmer Abendwind ging. Er betrachtete Gott von der Seite.
    »Ich bin nicht überfordert von dir«, antwortete Gott lächelnd. »Ich schätze dich mehr als Regeln und Gesetz, und ich achte dich mehr, als du deine Schutzwelt brauchst.«
    Er sagte nichts mehr. Von Mittag zu Mittag verging die Zeit. Der Kampf zwischen Gott und ihm erinnerte ihn an eine endlose Melodie – nicht mal an eine Melodie, sondern an eine aneinandergereihte, immer gleiche Abfolge von rhythmischen Akkorden; Sequenzen, die die Luft um sie zerschnitten, sich fast schon zu einem Tanz im Kreis drehten. Die Akkorde schienen immer lauter zu werden, aber eigentlich wurden sie das nicht: es war die Dichte der schnellen Abfolge und die vielen hoch gestapelten Töne wie Bücher in einer Bibliothek, die eine Steigerung der Lautstärke vorspiegelten. Der meditativ aktive Rhythmus drängte ihn, weiterzumachen. Er kämpfte im immer selben Rhythmus, dem einzigen, den er kannte. Seine Haut war dicht am Rhythmus.
    »Ich bringe dir meinen Rhythmus bei«, sagte Gott. »Doch du wirst staunen, wenn ich dir alles zeige.«
    Er distanzierte sich nicht von ihm, als hätte er Aussatz oder die Pest. Immerhin hatten stinkende, quietschende Dämonen Flecken auf seinem Charakter hinterlassen. Viele Menschen würden sich abwenden. Auf dem Weg des inneren Kampfes lernte er Gott und sich selbst besser kennen. Seine Melodie hieß: Ich will leben, ich will leben, ich will leben. Ganz allmählich passierte ein Wunder. Dieser alte Rhythmus veränderte sich so fein, dass er erkannte, wie sein alter Rhythmus eigentlich

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