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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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seinem Ohr.
    Das Gute war ihm fremd. Er kannte es nur, besessen zu sein, besessen von Zorn und Hass. Es kam ihm vor, als hätte Gott eine schwere Wäscheklammer an seine Seele geheftet, sodass sie am Boden blieb wie ein zittriger Schmetterling.
    »Die Rache gehört mir«, sagte Gott. »Ich kümmere mich um alles.«
    Langsam fühlte er sich voll an mit Gott, stimmte ihm unsichtbar und doch ungläubig zu. Außerdem konnte er nichts mehr denken. Tiefe, dämmrige Kapitulation machte sich breit. Dass Gott schlimm zugerichtet aussah, beschäftigte ihn, doch es wollte nicht in seinen Verstand. Warum? Er wusste nicht, wo er war und wo Gott gewesen war.
    »Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte er schüchtern.
    Die Luft war warm wie eine Daunendecke, es war noch immer heller Mittag.
    »Einige Jahre«, sagte Gott.
    »Was?«
    Er sprang auf. Gottes Ruhe ließ ihn nicht wegrennen. Doch hässliche Fliegen der Panik umwölkten sein vom Schlaf fast ausgeruhtes, aber noch schläfriges Hirn. Sein Inneres mit Hast, Drang und Sehnsucht schlug Alarm, doch auch die Ruhe und Kapitulation hatten eine eigenartige Anziehungskraft, die er nun kennengelernt hatte. Diese Möglichkeiten waren neu für ihn und wetteiferten nun mit seiner altbekannten Unruhe.
    »Wie kannst du mich … wie kannst du mich jahrelang schlafen lassen? Einfach ausschalten und zur Seite stellen?«
    Ihm blieb vor Entsetzen die Luft beim Sprechen weg.
    »Du warst müde.«
    Seine Abwehr von Hilflosigkeit war zur Routine geworden. Der Blick Gottes aber war wie ein »Hoh«, mit dem man ein Wildpferd besänftigte. Er aber wurde wieder ein kleiner, ängstlicher Junge. Er fing an, gegen Gottes Brust zu trommeln. Alles an Schimpfwörtern, alles an Verletzendem, was ihm einfiel, schmetterte er gegen diesen Gott, atemlos und verzweifelt. Dass dieser sich nicht wehrte, machte ihn noch wütender und hilfloser. Er musste ihn unbedingt verletzen, sonst hatte er das Gefühl, von seinem eigenen Schmerz erhängt zu werden.
    »Was ist los mit dir?«, fragte Gott.
    Er wusste es nicht. Er wollte nicht eingesperrt, nicht abgeschoben, nicht tot sein.
    »Ist Ausruhen eine Strafe?«, fragte Gott.
    Für ihn war es das.
    Etwas in ihm flehte ihn wortlos an, den Schmerz zu stillen, den Zorn, den alle an ihm verachteten und fürchteten.
    »Töte mich, dann hört der Schmerz auf«, sagte er und traf Gott mit seinen Worten. Doch die Verletzung und stechende Würde zu sehen in Gottes Augen wegen dem, was er da sagte, wegen dem, was er dachte, über sich, über ihn, stillte seinen Schmerz, denn Gott tat nichts, um sich zu wehren, war aber auch nicht in arroganter Weise stark und überlegen, nicht kalt. Es war ein überraschendes Gefühl, als sein Schmerz vor Bewunderung, Achtung und Zuneigung in die Knie ging anstatt von Gegenschmerz, der ersten Schritt für Vertrauen.
    »Komm mit mir«, sagte Gott.
    Er spürte, wie der Schock über den in Wellen auftretenden Schmerz ihn hungrig machte nach Geborgenheit. Paradoxerweise brauchte er eine Hand, die ihn hielt. Niemand anderes als Gott sollte ihn halten dürfen. Angst und Abwehr aber ließen ihn nicht zu sich kommen. Er rang darum, weinen zu können. Doch er fürchtete das Gefühl der Hilflosigkeit und Schwäche. Ein Mann weinte nicht. Es schien ihm eklig. Der Druck, wissen zu müssen, was passieren würde in seinem Leben, pulsierte wie eine Wunde in ihm.
    »Ich kann das nicht, ich kann so nicht gehen«, sagte er. Der Weg in die Weite ist ein enormes Risiko, da ist einfach Nichts. - Da war nur er.
    »Ich bin da«, sagte Gott.
    Das hier, das Leben im Ungewissen, ist nicht viel besser. Stöhnend und klagend konnte er sich kaum fallen lassen. Außerdem wollte er nicht schon wieder einschlafen und war doch kurz davor. Es hatte ihn müde gemacht, gegen Gott zu kämpfen. Seine Nähe war unbeschreiblich. Nach allem, was passiert war, erwartete er nicht, dass Gott noch mit ihm ging.
    Während sie durch das Nichts liefen, erinnerte er sich an viele zermürbende Kämpfe mit Menschen, nur um sich selbst nicht begegnen zu müssen. Er hatte ihnen die Hölle bereitet, denn seine Dämonen setzten sich auf die geliebten Menschen, um sie wahnsinnig zu machen. Niemand schien so viel Angst vor seinen eigenen Gaben und Schwächen zu haben.
    »Bitte, gib nach«, hatte er damals alle Götter, die ihm einfielen, bedrängt. »Ich verspreche, ich werde mich bemühen, ein guter Mensch zu sein, gib nach!«
    Gott sah ihn lange an. »Gib nach in was? Du bist nicht geliebt, nur weil du

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