Diabolos (German Edition)
wirkten so hart wie das Holz der Türe. Nur auf einigen wenigen konnte ich noch die Schrift des Verfassers erkennen, unter anderem auf der ersten Seite. Und es überraschte und erschreckte mich über alle Maßen, als ich die ersten Worte des seltsamen Buches auf der ersten Seite las:
Tagebuch von Henry James Wilkes
Begonnen am 12. März 1890
Ich spürte, wie sich beim Anblick der gestochen scharfen Schrift ein Kribbeln über meine Finger durch meinen gesamten Körper seinen Weg bahnte. Fast augenblicklich schlug mein Herz schneller und härter, so dass ich für einige Sekunden nur beschwerlich atmen konnte.
Etwas schnürte meine Kehle zu, ich wusste nicht zu sagen ob Ehrfurcht oder blankes Entsetzen in Anbetracht der Tatsache, dass ich in meinen Händen ein Buch hielt, in das mein Großvater zu Zeiten meiner Geburt seine geheimsten Gedanken niedergeschrieben hatte.
Ich hatte nie eine Ahnung besessen, dass ein derartiges Buch existierte, noch hatte mein Vater jemals ein Wort darüber verloren. Offensichtlich hatte mein Großvater seine Gründe gehabt, das Buch bis zu dieser Nacht unter Verschluss zu halten. Doch was hatte ihn dazu bewegt, den Versuch zu unternehmen, seine Aufzeichnungen dem Feuer zu übergeben?
Das Gefühl, nicht mehr in der Lage zu sein, meine Gedanken und Empfindungen zu kontrollieren, wurde so stark wie nie zuvor, seit ich die unselige Kammer betreten hatte. Mit Entsetzen sah ich, wie meine Finger begannen, die erste Seite umzuschlagen. Dabei knirschte das Papier als würde alte Haut zerreißen.
Die Seite war gut erhalten, lediglich die Ecken waren vom Feuer erfasst worden. Mit einer Furcht, die Faszination gleich kam, begann ich die ersten Worte meines Großvaters zu lesen.
12. März 1890
Entgegen den energischen Worten meines Großvaters, Uriah Wilkes, habe ich die Kammer aufgebrochen. Zu groß war die Neugierde, als dass ich der Versuchung hätte länger widerstehen können. Zu groß die Faszination ob der Worte und Geschichten, die mein Großvater bereits in meinen Kindertagen an mich gerichtet hatte.
Was ich fand, enttäuschte mich. Der Raum war leer, bis auf einen fürchterlichen Gestank, der den Verschlag wie etwas Lebendiges erfüllte. Der Geruch erinnerte mich an die Zeit, als ich ein Kind war und auf dem Hof meines Onkels in den Ställen gearbeitet hatte. Der würzige, betäubende und schreckliche Gestank von Tieren. In diesem Raum scheint er aus jeder Ritze, aus jedem Holzbalken zu entströmen.
Und noch etwas ist eigenartig an diesem Raum. In der Wand gegenüber des Eingangs befindet sich eine Tür. Dabei ist von außen keinerlei Zugang zu der Kammer zu sehen. Die Tür ist verschlossen, und für heute fehlt mir die Kraft, sie aufzubrechen.
14. März 1890
Wieder habe ich die Kammer betreten. Draußen stürmt es, und Hagelkörner in der Größe von Hühnereiern fallen vom Himmel. An Arbeiten im Garten ist nicht zu denken, deshalb wollte ich mich der Tür widmen, die ich in dem verborgenen Raum entdeckt habe.
Doch gerade als ich das Stemmeisen ansetzen wollte um das Schloss aufzubrechen, entdeckte ich ein altes Buch. Ich weiß nicht zu sagen, ob es vor zwei Tagen schon hier gelegen hatte. Ich kann mich nicht daran erinnern. Doch wer hätte es in der Zwischenzeit hier ablegen sollen?
Es ist ein altes Buch, in dickes, nach Fäulnis riechendes Leder gebunden, verstärkt durch eiserne Beschläge, gerade so, als befände sich ein wertvoller Schatz im Innern des Buches.
Die Sprache, in der es geschrieben ist, ist mir fremd. Doch einige wenige Passagen sind auf Französisch geschrieben, eine Sprache, die ich leidlich beherrsche. Darüber hinaus enthält das Buch merkwürdige Zeichnungen von Teufelsfratzen oder Pentagrammen, darüber stehen Zahlen und seltsam anmutende Zeichen geschrieben.
Das ganze erinnerte mich an die Niederschriften eines Alchemisten oder an die ausgerottet geglaubten Hexenbeschwörungen, von denen man sich im Dorf erzählt, dass sie immer noch auf den niedrig gelegenen Plateaus der Berge abgehalten werden. Doch was hatte mein Großvater mit derartigen Machenschaften zu tun?
Die Auszüge, die auf Französisch geschrieben stehen, sind eindeutig Beschwörungen. Ich schaffe es nicht, sie Wort für Wort zu übersetzen. Doch dem Inhalt nach zu urteilen glaube ich, dass man mit ihrer Hilfe die Toten aus dem Jenseits erwecken kann. Eine grausige Vorstellung, dass ich vielleicht gar das Buch eines lange verschwundenen Hexenmeisters in Händen halte. Obgleich ich
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