Diabolos (German Edition)
einzelner Stuhl lag rücklings neben dem Tisch auf der Erde, als hätte ihn jemand umgestoßen, der es eilig hatte, die Kammer zu verlassen.
Auf dem Tisch stand das verrostete Gerüst einer vergessenen Laterne. Eine bleierne, fast ewig zu nennende Stille lag über dem Raum. Gerade so, als hätte das Haus seit meinem Eintreten den Atem angehalten. Selbst die üblichen knarrenden Geräusche eines alten Hauses in der Nacht waren verschwunden.
Der erste Schritt, den ich in die Kammer tat, knirschte unter meinen Hausschuhen. Mein überreizter und vom Odem dieses Hauses verseuchter Verstand versuchte mir vorzugaukeln, wie etwas aus der harten, trockenen Erde nach meinem Fuß griff, ausgehungert von Jahrzehnten gierte es nach etwas Lebendigem in dem Verließ.
Ich trat bis zu dem kleinen Tisch und bemerkte, als ich die Laterne auf der staubigen Platte abstellen wollte, wie er selbst unter dem seichten Gewicht der Lampe zu wanken begann. Ich spielte mit dem Gedanken, das verrostete Gerüst der vergessenen Petroleumlampe zu entzünden. Doch ein Blick genügte mir, um festzustellen, dass sich im Köcher der Laterne schon lange nicht einmal mehr die Ausdünstung von Öl befand. Die Laterne war ebenso tot und erstarrt wie alles andere in diesem Raum. Lediglich der penetrante Gestank, der mich wie ein wildes Tier bedrängte, zeugte von abnormen Leben.
Ich ließ meinen Blick durch den Verschlag gleiten, betrachtete mir die Handarbeitskunst einer Zeit, die schon lange vergessen war.
Die Fugen der Bretter waren mit Teer verdichtet, ebenso das leicht geneigte Dach, auf dem ich so manchen Sommer als kleiner Junge verbracht hatte. Nie hätte ich mir damals träumen lassen, welch scheußlicher Ort sich direkt unter mir befand und in vollkommener Dunkelheit und Stille harrte.
Was meine Aufmerksamkeit auf sich zog und mich für einen kurzen Augenblick aus dem Gleichgewicht brachte, war allerdings etwas, das sich an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand befand. Ich griff nach der Laterne und spürte kaum, wie schwer mir der Leuchter plötzlich in der Hand erschien.
Ungläubig hielt ich ihn in Augenhöhe und beleuchtete die Wand, hinter der sich das gestapelte Feuerholz meines Großvaters befunden hatte, ebenso die ersten felsigen Ausläufer der Berge, die bis in den Garten hineinreichten. Nie hatte ich gesehen, dass es von außen einen Zugang zu der Kammer gab. Weder in meinen Kindertagen noch in dieser Nacht, als ich im Garten war und die Wände und das Dach des Schuppens untersucht hatte. Und doch befand sich im ruhigen, milchigen Schein der Laterne eine dunkle Holztüre in der Wand.
Erst glaubte ich mich dem Trugbild einer merkwürdigen Nacht in einem noch merkwürdigeren Haus ausgesetzt, beeinflusst von dem infernalen Gestank, der sich in jeder Ritze und Fuge der Stallung festzukrallen schien. Doch die Tür stand ruhig und düster im Schein meiner Lampe vor mir. Ähnlich der Pforte in der endlosen schwarzen Wüste …
Die Planken der Tür, ebenso wie die Wand um den Rahmen waren schwarz. Kaum wagte ich näherzutreten, erschien mir diese Tür, die nicht sein konnte, doch noch fremdartiger als jene, die man hinter dem Regal in der Küche sorgsam unter Verschluss gehalten hatte. Meine Beine entwickelten ein Eigenleben, für das ich sie nicht verurteilte. Schritt für Schritt brachten sie mich der absonderlichen Tür näher, im Schein meiner Laterne zeigte sich das Holz seltsam stumpf, als hätte man es jeglicher Farbe beraubt.
Und tatsächlich erkannte ich, als ich nur noch zwei Schritte entfernt stand, dass die Tür keineswegs in schwarzer Farbe gestrichen war. Auch bekam ich eine logische Erklärung für den absonderlichen Geruch, der sich unter den Stallgestank gemischt hatte. Das Holz der Tür und die Wand um sie herum waren verkohlt. Ebenso der Erdboden, der vom Feuer grau und hart geworden war. Es war eindeutig, dass hier jemand vor ungezählten Jahren ein Feuer gelegt hatte. Doch was wollte dieser jemand, womöglich mein Großvater Henry Wilkes, mit dem Brand bezwecken? Und wieso befand sie der Brandherd lediglich im Bereich dieser seltsamen Tür?
Vorsichtig legte ich meine Hand auf das verbrannte Holz. Feinster Staub aus uraltem Ruß rieselte zwischen meinen Fingern hindurch zu Boden. Ich folgte dem schwarzen Nebel mit meinen Augen und bemerkte plötzlich ein Buch, das zu meinen Füßen lag und das mir zuvor nicht auffallen konnte, da es ebenso dunkel und verbrannt war wie die Erde, auf der es lag.
Ich bückte mich
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