Diabolos (German Edition)
Narr, dass ich glaubte, meinem Verstand trauen zu können. Wer vermag zu sagen, zu welch grauenhaften Ritualen das Buch in alten Zeiten diente. Ich verfluche den Tag, an dem ich es gefunden habe. Ebengleich den Tag, an dem ich damit begann, mich dem Verstehen der französischen Sprache zu bemächtigen.
Was habe ich nur getan? Ich Narr …
Wieder fand ich einige Seiten herausgerissen, nicht gewissenhaft sondern offensichtlich in wildem Zorn oder stiller Verzweiflung. Dann las ich weiter, wobei ich mich eines eisigen Schauers nicht erwehren konnte.
Sie kommen in der Nacht. Ich kann hören, wie sie das Tor in unsere Welt öffnen. Ich weiß nicht, wie viele es sind … ich muss die Tür zum Küchenraum geschlossen halten.
Mit Grausen erinnerte ich mich der Geräusche, die mich in der Nacht geweckt hatten. Plötzlich erschien mir der animalische Gestank in der Kammer wie ein lebendiges Wesen, das in den Ecken des Verschlages lauert, um sich jederzeit auf mich zu stürzen.
Wieder fehlen einige Seiten. Dann …
Ich bin nicht mehr der Einzige, der hören kann, wie sie ihre verendenden Leiber über den Boden der Kammer bewegen. Aus dem Dorf schöpft niemand Verdacht, habe ich mich doch längst von alten Freunden und Nachbarn zurückgezogen. Doch meinen einzigen Sohn kann ich nicht des Hauses verweisen. Jeremiah hat mir erzählt, was er in manchen Nächten hört. Ich habe ihm gesagt, dass Ratten ihren Weg in die Kammer gegraben haben. Jeremiah meinte, wir müssten unbedingt den Raum öffnen und die Tiere ausräuchern, ehe sie die Pest ins Haus schleppen. Ich muss versuchen, ihn von dieser Idee abzubringen … vielmehr sollten seine Gedanken seiner Frau Elaine gelten, die in Kürze meinen ersten Enkel erwartet.
Die Erwähnung meines Vaters schnürte mir die Kehle zu. Meine Vermutung, dass sich der Mann verändert hatte seit er das alte Haus bezog – sowohl in physischer wie auch in psychischer Form – wurde mir in diesen Augenblicken durch die wenigen Worte meines Großvaters bestätigt. Also war ich doch nicht einer Halluzination, hervorgerufen durch den ungesunden Atem des Hauses, unterworfen gewesen, als ich meinen Vater vor sechs Jahren das letzte Mal gesehen hatte.
Doch was war es, das mein Vater gehört hatte? War er in der Nacht von denselben Geräuschen geweckt worden, die auch mich aus meinem Alptraum gerissen hatten? Was wusste er?
Hastig blätterte ich weiter, wobei ich die Vorsicht, die Seiten durch mein Tun zu zerstören, verwarf. Blanke Ungeduld trieb mich voran. Das eingetragene Datum des nächsten Eintrages war datiert auf eine Woche vor meiner Geburt.
2. April 1890
Elaine, meiner Schwiegertochter, geht es schlechter. Deshalb habe ich darauf bestanden, dass Jeremiah sie in mein Haus bringt. Ich traue den Ärzten aus der Stadt nicht. Doc Hammond aus dem Dorf ist ein hervorragender Arzt und ein fürsorglicher Mensch. Zudem schuldet er mir noch einen Gefallen, was die Angelegenheit für Jeremiah um einiges bezahlbarer machen könnte. Den Gestank in meinem Haus habe ich durch das Verteilen von Myrre, Knoblauch und anderen Gewürzen bändigen können. Hammond wird nicht danach fragen, dessen bin ich mir sicher, kenne ich den Menschen doch als verschwiegen und loyal. Mein Sohn wird andere Belange habe, um die er sich kümmern muss. Auch von dem Gedanken der Ausräucherung der Ratten, die sich seiner Meinung nach ihren Weg in die Kammer gebahnt haben, hat er Abstand genommen. Ich habe die Tür zu dem Verschlag mit einem robusten Regal verbarrikadiert. So ist gesichert, dass sich niemand ungewollten Zugang verschafft.
Weder von außen … noch von innen … In den Tagen, in denen Jeremiah mit seiner Frau mein Heim bewohnen, habe ich Zeit gefunden, noch einmal das alte Buch zu durchstöbern, das ich in der Kammer gefunden habe. Dabei ist mir ein Abschnitt aufgefallen, den ich beim ersten Studieren der Seiten wohl in meiner Hast überlesen habe. Er war in französischer Sprache abgefasst, so dass ich den schauerlichen Inhalt verstehen konnte.
Nun endlich weiß ich, was die Tür zu bedeuten hat. Und auch, was die Geräusche in vielen Nächten verursacht. Es ist eine von vielen Türen, die es auf der ganzen Welt gibt. Und ich Narr – so muss ich mich leider betiteln – habe sie durch meine Worte, die ich aus dem alten lateinischen Buch zitiert habe, entriegelt. Ich selbst, ein lebendiger Mensch, besitze nicht die Kraft, die Pforte zu öffnen.
Diese Macht besitzen nur die Toten, um in die Welt der
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