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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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einer inneren, gedanklichen Gewalt – davon abzuhalten, die Pforte zu öffnen.

    Meine Finger hatten Mühe, das Pergament zu halten, als ich die Seite umschlagen wollte, so sehr ließ meine Erregung sie zittern. Zu meiner großen Enttäuschung war die weitere Eintragung meines Großvaters ein Opfer des Feuers geworden. Das Pergament war schwarz, und die oberste Schicht verlodert. Erst drei Tage nach dem 16. März 1890 ließen sich die Niederschriften des alten Mannes wieder entziffern. Doch befand ich seine Sprache als nicht mehr so sorgsam. Vielmehr schienen die Worte in rascher Hast geschrieben zu sein.

    19. März 1890
    Es will mir nicht gelingen, die Tür zu öffnen. Ich habe es mit all meiner Kraft versucht. Selbst das Stemmeisen hatte ich benutzt, entgegen aller Vernunft und Furcht, die mich befiel, als ich das Eisen ansetzte. Doch gar gegen ein derart effektives Werkzeug vermochte sich das Holz zu wehren.
    Doch mit jedem Tag, der erfolglos verstreicht, wächst meine Neugierde, was diese Tür zu verbergen hat. Mein Verstand sagt mir, dass sie unmöglich in den Garten führen kann. Ich weiß nicht, was ich dahinter finden werde, wenn ich eines Tages dazu in der Lage sein werde, sie zu öffnen. Aber mir ahnt, dass es nicht Gutes sein kann.
    Was mir große Sorgen bereitet, sind die Träume des Nachts. Dunkle, angstgebärende Visionen von endlosen, düsteren Weiten, in denen der Hauch des Bösen weht. Ich sehe Gestalten in diesen schier endlosen Wüsten, doch sind die Träume so gnädig mir ihr wahres Wesen zu ersparen. Aber ich weiß, dass ihnen nichts Menschliches anhaftet. Fast erscheint es mir, als warten die Kreaturen auf etwas. Sie schleichen ruhelos durch die Finsternis. Ich kann ihre Ungeduld spüren. Zumeist entlässt mich mein Traumgespinst, nachdem ich einen lauten, in meiner Kehle brennenden Schrei ausgestoßen habe.

    21. März 1890
    Der Gestank ist unerträglich. Ich muss die Tür zum Küchenraum unbedingt geschlossen halten. Das ganze Haus riecht nach totem Getier und verendetem Fleisch. Die Bewohner des Dorfes, mit denen ich regen Kontakt pflegte, muss ich bereits unter scheinheiligen Ausflüchten an der Pforte abwimmeln. Ich frage mich, was diesen abscheulichen Gestank verursacht …

    Wieder machten Brandflecke das weitere Lesen unmöglich. Ich strich mit den Fingern über die jetzt in recht ungeschickter Weise niedergeschriebenen Worte meines Großvaters als könnte ich mittels der bloßen Berührung die Gedankengänge des alten Mannes zu damaliger Zeit in mich aufnehmen. Und tatsächlich schien ich eine gewisse Furcht zu vernehmen, die den Worten innewohnte. Doch konnte ich Furchtsamkeit und Henry Wilkes, so wie ich ihn kannte und fürchtete, nicht in Einklang bringen, verbreitete der Mann doch selbst in meinen Träumen in meiner Wohnung in London, fernab dieses unheimlichen Ortes, Angst und Schrecken, und verkörperte mein Großvater in der Nachtmahr meiner Kinderzeit nichts anderes als die Ausgeburt des Schwarzen Mannes.
    Ich vermochte nicht zu sagen, was es war, das mein Großvater hinter jenen ominösen Tür zu erblicken gehofft hatte, doch hatte es zum einen eindeutig seine Faszination geweckt und zum anderen eine tiefe Furcht gesät, die seine Worte nur schwerlich verbergen konnten.
    Ich stand vom Tisch auf – auf Beinen, die unmöglich zu meinem Körper gehören konnten, so fremd erschienen sie mir – und ging langsam auf die verschlossene Tür zu. Verbrannte, ausgetrocknete Erde und harte Ascheklumpen knirschten unter jedem meiner Schritte. Der Gestank nahe der Pforte war schier unerträglich.
    Tatsächlich besaß die Tür keinerlei Verriegelung. Als ich jedoch an dem eisernen Griff drückte und zog, bewegte sie sich, genau wie in dem alten Buch beschrieben, keinen Millimeter. Als würde sie von Etwas jenseits der Tür blockiert …
    Ich war versucht nach dem Stemmeisen zu greifen, das mir bei der Tür zum Küchenraum bereits gute Dienste geleistet hatte. Aus unerklärlichen Gründen verwarf ich den Gedanken und kehrte stattdessen zum Tagebuch meines Großvaters zurück.
    Jedoch stellte ich ernüchtert fest, dass jemand die nächsten Seiten des Buches herausgerissen hatte. Lediglich am Rand war noch ein schmaler, zerfetzter Streifen harten Papiers zu finden. Ich zählte fünf dieser Papierfetzen, ehe ich auf einer verkohlten, durch die Hitze des Feuers verformten Seite weitere, in wilder Unruhe niedergeschriebene Worte fand.

    Nie hätte ich die Worte aussprechen dürfen. Ich war ein

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