Diabolos (German Edition)
Überzeugung, willigte Brandon schließlich ein. »Okay, dann zeig' uns mal, wo deine Göttin wohnt!«, forderte er den Hirten auf.
Der Angesprochene machte einen freudig-überraschten Ausdruck. »Okay? Okay! Kommen. Kommen.«
Er hüpfte förmlich voran, wobei er den Stiel der Hacke geschickt als Stütze einsetzte. Nachdem er bereits einen kleinen Vorsprung hatte, drehte er sich mit einem Mal um und zeigte mit der linken Hand auf seine Brust. »Ich Janos. Mein Name.«
Da sich die kleine Gruppe nun fast parallel zum unteren Rand der karstigen Felswände bewegte, gelangte sie nur allmählich wieder in bewachsene Regionen. Die Erde bot dabei nur den genügsamen Wurzeln der struppigen Frigana Halt. Einige Male verfluchte Brandon die oft kniehohen Büsche, die ihre dornigen Krallen nach seinen Beinen ausstreckten.
Sie umrundeten den Berg und bogen danach in ein schmales, nordöstlich verlaufendes Nebental ab. Unter ihnen hatten sich mehrere verkrüppelte Ölbäume wie Treibholz zwischen den Felswänden verkeilt. Es sah aus, all ob ihre gichtigen Äste in der flüssigen Luft vor sich hin schwelten. Heather stieß ihren Mann an und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu; Janos schien eine sehr eigene Vorstellung von ›nicht weit‹ zu haben. Zügig, nur selten einen Blick zurückwerfend, marschierte er voran. Brandon blieb stehen und nutzte die Gelegenheit, um sich mit einem Taschentuch die Stirn zu trocknen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er seine alte Baseballmütze im Wagen vergessen hatte. Ohne diesen Schutz verwandelte sich sein Kopf langsam in das Gegenstück einer gegrillten Tomate.
»Heh!«, rief er dem Führer hinterher. »Stop! Nicht so schnell; wie weit ist es denn noch bis zu dieser verd- … bis zur Höhle?«
Janos hielt selbst jetzt nicht an. Er präsentierte ihnen lediglich die spärlichen Überreste seiner Zähne und deutete mit der Hacke nach schräg unten. »Nicht weit mehr, okay?«, grinste er. »Kommen, kommen!«
Brandon stieß einen tiefen Seufzer aus. »Vielleicht hat er ja Recht«, versuchte er Heather zu beschwichtigen. »Das kleine Stück können wir jetzt auch noch gehen.«
»Das kleine Stück ?«, schnaubte sie. »Es war ja schon verrückt, überhaupt auf den Berg zu klettern, das hier artet aber langsam in einer Farce aus. Die Zeit läuft uns davon; hast du vergessen, wohin wir heute noch fahren müssen?« Jetzt war sie es plötzlich, die ungeduldig wurde. Brandon hob abwehrend seine Hand. »Natürlich denke ich daran«, sagte er. »Aber wozu die Panik? Wenn die Besichtigung zu lange dauern sollte, können wir ja immer noch denselben Weg wieder zurückgehen. Wir müssen ja nicht unbedingt das ganze Tal durchwandern. Und außerdem: An wem liegt es denn, dass es so spät geworden ist? An mir nicht. Wer musste denn unbedingt heute morgen durch hundert Läden ziehen, um dieses abscheuliche T-Shirt zu kaufen?«
»Oh ja, natürlich«, lächelte Heather bitter. »DAS musste jetzt ja kommen. Wenn du kein sonderliches Verhältnis zu deiner Familie hast und nicht einmal Karten schreibst, ist das dein Problem: ICH denke allerdings auch im Urlaub an meine Verwandtschaft. Und außerdem: Wenn wir unten im Tal geblieben wären, hätten wir längst Kato Zakros erreicht.«
»Okay, okay, okay«, äffte Brandon die Art ihres Führers nach. »Bitte. Meinetwegen. Tu, was du für richtig hältst; du kennst ja den Weg. Ich sehe mir jedenfalls zuerst einmal Janos' Wunderhöhle an.«
Mit diesen Worten drehte er sich abrupt um und trabte mit weit ausholenden Schritten tiefer in die Schlucht hinein. Der kleine Führer war bereits hinter einem buschigen Erdhügel verschwunden. Mit geballten Fäusten und am ganzen Körper zitternd, blickte Heather ihm nach. Eine ohnmächtige Wut überrollte ihren Kopf in migräneartigen Wellen.
»Dieser Dreckskerl!«, fluchte sie. Aber es half nichts. Ihre Gefühle ließen sie nur noch hilfloser werden. Vielleicht liegt darin das wahre Unglück aller Frauen , dachte sie. Vielleicht investieren wir alle viel zu viele, überflüssige Emotionen. Emotionen, die den Blick auf das wirkliche Leben verstellen.
Heather war sich nicht sicher; andererseits genoss sie nämlich auch ihre romantischen und finsteren Tagträume. Augenblicklich empfand sie die Vorstellung, Brandon von einer Gerölllawine zermalmt zu sehen, als äußerst aufmunternd. Mit diesem Bild vor Augen setzte sie ihren Weg schließlich fort. Es nahm eine ähnlich konkrete Form an, wie die Fata Morgana einer Oase.
»Wir
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