Diabolos (German Edition)
da. Dort Höhle von Große Göttin.«
Janos war am Ende des kleinen Einschnitts angelangt; wenige Meter vor ihm bildeten dichte Oleanderbüsche einen natürlichen Schutzwall. Brandon schaute angestrengt, aber von einer Höhle war weit und breit nichts zu sehen. Als er endlich zu seinem Vordermann aufgeschlossen hatte, entdeckte er lediglich den windschiefen Zaun eines Ziegengeheges. Nur schwach traten die schwarzbraunen Pfosten und Latten aus den Schatten des Blätterdachs hervor. Leises Meckern drang an seine Ohren.
»Wo?«, wandte er sich verwirrt an den Hirten. »Ich kann nicht das Geringste erkennen.«
Janos zeigte wieder sein spitzbübisches Grinsen. »Da. Sehen? Okay?«
Mit dem Stiel der Hacke wies er auf einen unbestimmten Punkt schräg vor ihnen. Brandon zuckte auch jetzt mit den Schultern; nur ein seltsamer brauner Fleck unterbrach das monotone Graugrün der Büsche. Janos wartete, bis auch Heather wieder Anschluss gefunden hatte und bahnte sich dann einen Weg mitten durch den Oleander. Wie sich schon bald herausstellte, hatte der Führer diese Stelle mit Bedacht gewählt. Kaum 20 Meter weiter gelangten die drei auf einen schmalen Pfad, der vollständig von den Pflanzen überdacht wurde. Fleckiges, grünes Licht fiel auf den Boden. Brandon hörte Heathers Schritte hinter sich, er drehte sich aber nicht um. Wie ein stummer Schatten folgte sie ihm. Er konnte förmlich spüren, wie sich ihre zornigen Blicke auf seinen Rücken hefteten. Was soll's , dachte er resigniert. Meinetwegen kann sie vor Wut kochen. Er hatte einfach keine Lust und Kraft mehr, mit ihr zu diskutieren. Die Höhle , sagte er sich in Gedanken vor. Die Höhle war das einzige, was den Tag noch retten konnte.
Der Blättertunnel endete derart plötzlich, dass Brandon seine Aufmerksamkeit nun ohnehin nur noch auf die ihn umgebende Natur lenkte. Etwa 50 Meter vor einer nahezu senkrecht aufragenden Felswand trat er neben Janos wieder ans Tageslicht. Erstmals überkam ihn ein vages Gefühl von Enge und Eingeschlossenheit. Wenn er längere Zeit nach oben blickte, glaubte er, die Wände näher rücken zu sehen.
»Da! Jetzt schauen, okay?«, sagte Janos.
Brandon senkte blinzelnd den Kopf; das Ziel lag tatsächlich vor ihnen. Das steinerne Halbrund maß mehr als 10 Meter in der Breite und etwa vier bis sechs Meter in der Höhe. Oberhalb der Höhle war eine braune Plane befestigt worden, die den Eingang wie ein schützender Baldachin überspannte. Die vorderen Enden wurden von schräg gestellten, lanzenartigen Stangen gehalten. Brandon erkannte darin den braunen Fleck wieder, den er kurz durch die Blätter hatte schimmern sehen. Zögernd überquerte er den ausgedörrten Talboden; bereits nach wenigen Schritten blieb er erneut stehen. Mehr noch als die eigentliche Höhle erstaunte ihn eine andere Tatsache: Im Schatten des großen Baldachins zählte er nicht weniger als vier Personen, die dort offensichtlich ihr Lager aufgeschlagen hatten. Brandon hätte in dieser Einöde vieles erwartet, Ziegen, Schafe, Eidechsen, vielleicht sogar einen Adler, mit Menschen hatte er jedoch nicht gerechnet. Die neue, verwirrende Situation ließ ihn sogar das angespannte Verhältnis zu Heather vergessen. Aufgeregt winkte er seine Frau zu sich heran.
»Komm' schnell her und schau dir das mal an. Ich kann es zwar nicht glauben, aber da vorne proben gerade ein paar Leutchen eine römisch-arabische Variante von wildem Camping.«
Heather würdigte ihn keines Blickes, dafür interessierte sie sich umso mehr für das rätselhafte Schauspiel.
»Seltsam«, murmelte sie vor sich hin. »Wie ein einfacher Unterschlupf für Hirten sieht dies wirklich nicht aus. Das große Zelt, es wirkt regelrecht festlich. Einladend. So, als erwarte man Gäste.«
»Na, uns natürlich«, entgegnete Brandon leichtfertig.
Heather wollte gerade einen Einwand vorbringen, als sie von Janos unterbrochen wurde. Der kleine Hirte hatte ihr Zögern bemerkt und wedelte daher nun umso heftiger mit seinem ungewöhnlichen Wanderstock.
»Kommen, kommen!«, rief er ihnen zu. »Alles okay!«
Brandon warf seiner Frau einen kurzen ›Na also‹ Blick zu und setzte seinen Weg fort. Heather blieb, wo sie war. Bislang hatte sie die Wanderung eher als überflüssig, unsinnig und schweißtreibend betrachtet, nun empfand sie aber plötzlich Angst. Sie konnte es sich nicht erklären, aber es waren nicht die steilen Wände der Schlucht oder die fremden Menschen, die sie beunruhigten; es war die Höhle. Durch das
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