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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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Verfügung, meine alten Beine sind so wertlos wie die abgestorbenen Äste eines Ölbaums.«
    Während Brandon bereits losmarschierte, erhob sich nun auch Heather von ihrem Platz. »Sie waren wirklich sehr freundlich«, bedankte sie sich. »Können Sie mir aber vielleicht noch etwas mehr über die Göttin der Höhle erzählen? Ich kenne einige Gottheiten, aber von einer Großen Göttin habe ich noch nie etwas gehört. Hat sie keinen Namen?«
    Deino nickte müde. »Sie hat viele Namen«, sagte sie geheimnisvoll. »Unsere Göttin wurde schon verehrt, bevor die zivilisierte Welt überhaupt Kenntnis von Kreta hatte. Schon lange bevor die Minoer ihre prachtvollen Paläste erbauten. Sie ist die ›Große Göttin‹, die ›Göttin der Schlangen‹, die Urmutter der Graien und Gorgonen. Niemals wird ihre Macht versiegen.« Die letzten Worte betonte sie wie einen heiligen Schwur oder eine Prophezeiung. Heather, die sich nur ungern an ihre persönliche Begegnung mit der Schlange erinnerte, schauderte unwillkürlich.
    »Göttin der Schlangen? Gorgonen? Waren dies nicht jene grausigen Geschöpfe, deren Anblick einen Menschen in Stein verwandelten?«
    Die Alte schüttelte kaum merklich den Kopf; eine schneeweiße Haarsträhne löste sich unter ihrer schwarzen Tracht und fiel über ihr linkes Auge. In ihren dunklen Höhlen schien nicht einmal ein Lid zu zucken. »Nein, nicht ganz«, antwortete sie ungerührt. »Nur eine der drei Schwestern, die sterbliche Medusa, hatte jene Macht. Durch List und Verrat wurde sie jedoch getötet und ihr Haupt der schändlichen Athene übergeben.« Sie machte eine schneidende Handbewegung; ihre gespreizten Finger zitterten erregt. »Aber genug davon. Sehen Sie selbst; die Wände der Höhle erzählen viele Tragödien.« Sie lehnte sich matt zurück und ließ ihren Kopf auf die Brust fallen. Weitere, schlangengleich geringelte Haarlocken quollen unter ihrem Tuch hervor. Heather war damit entlassen; dennoch blieb sie noch eine ganze Weile grübelnd vor der zur Statue erstarrten Hüterin stehen. Das überwunden geglaubte Gefühl der Angst war plötzlich wieder da; stärker als zuvor. Die seltsamen Erklärungen der Greisin hatten sie verwirrt. Etwas war in dieser Höhle, dem sie nicht begegnen wollte. Etwas Böses. Vielleicht sogar das Haupt der Medusa persönlich.
    Ihr Verstand war gerade noch damit beschäftigt, diese finsteren Visionen zu entkräften, als sie ihren Mann rufen hörte. Heather schreckte schmerzhaft zusammen. Brandon stand neben Janos im Höhleneingang und winkte ihr hektisch zu.
    »Was ist, kommst du? Oder willst du dort Wurzeln schlagen?« Schon allein für seinen überheblichen Ton hätte er einen kräftigen Tritt zwischen die Beine verdient, dachte sie. Und dennoch – trotz aller Ängste und Vorbehalte – ging sie auf den dunklen Felsschlund zu. Sie wunderte sich selbst über ihr Verhalten. Wie schon so oft in ihrem Leben ignorierte sie bewusst ihre innere Stimme und stürzte sich ins Ungewisse. Heather war sich nicht klar darüber, ob der Auslöser dafür Mut oder Wahnsinn war.
    Janos hatte offenbar zu seiner alten Lebendigkeit zurückgefunden; sein fröhliches »Kommen, kommen, okay!« geleitete die Gäste durch eine weite Vorhalle, die sich zusehends nach hinten hin verjüngte. In gleichmäßigen Abständen warfen Fackeln ein warmes, unruhiges Licht auf Boden und Wände. Sie erreichten schließlich einen Korridor, der erstmals Spuren von menschlicher Gestaltung aufwies; Teile der Decken und Seitenwände waren mit blauen Pflanzenornamenten und menschlichen Körpern in Seitenansicht dekoriert worden. Brandon meinte auch Schlangen und Schafe entziffern zu können, ihr Führer ging jedoch derart zügig daran vorbei, dass ihm keine Zeit zur näheren Betrachtung blieb. Je weiter sie kamen, umso dichter und aufwendiger wurden die Malereien. Gold- und Rottöne belebten nun die Bilder. Verschlungene Symbolbänder liefen in Brusthöhe die Wände entlang. Durch die Bewegung der Betrachter verschwammen die einzelnen Formen zu lang gezogenen Farbschlieren. Vor einem künstlich gehauenen Rundbogen gewährte Janos seinem Tross endlich einen ersten Halt. Der weitere Gang lag hinter einem samtenen Vorhang verborgen.
    »Dort heilige Tempel von Große Göttin«, erläuterte der Höhlenführer. Über dem Durchgang prangte der überdimensionale Kopf eines Stieres. Die Bronzeplastik war detailgetreu gearbeitet worden und besaß riesige, leicht geschwungene Hörner.
    »Der ist ja noch gewaltiger, als

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