Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
Vom Netzwerk:
sie die Nachkommen jener Männer, die den Ort mit eigenen Händen aufgebaut hatten. Und im Verbund mit den Freuden von Bier und Alkohol wurden sie sich ihrer Verantwortung den Frauen und Kindern gegenüber bewusst. Diese hockten derweil voller Wehklagen und Furcht in ihren Kammern und machten das Zeichen wider des bösen Blickes der alten Keeza oder zeichneten mit Kreide Beschwörungsformeln der Großmütter auf die Türschwellen der Kinderstuben.
    Noch in derselben Nacht zogen die Männer von Arc´s Hill, bewaffnet mit Fackeln, Mistgabeln und Äxten zum Haus der alten Frau und zogen das wehklagende Weib unter dem weißen Licht des Vollmondes auf den Pfad vor ihrer Hütte hinaus. Die Väter der verschwundenen Kinder packten am heftigsten zu. Und ihre Idee war es auch gewesen, die Alte der Hexerei anzuprangern, lebte sie doch zurückgezogen in einer heruntergekommenen Hütte und mied jeglichen Kontakt mit allen im Dorf. Selbst den Kirchgang verweigerte sie beharrlich. Was also lag näher, als dass Keeza ein letzter Nachkomme einer Sippschaft sei, die man vor fast einhundertfünfzig Jahren auf einem Reisighaufen dem Flammentod übergeben hatte, und zwar genau an jener Stelle, an der nun die kleine, aus Holz erbaute Kirche von Arc´s Hill stand.
    Und wie ihre Vorfahren, so wollte man auch Keeza der Hexerei überführen, um zumindest die arg geschundenen Seelen der Mütter und der anderen Frauen des Dorfes zu beruhigen.
    Man beschloss, mit der Alten den Wassertest durchzuführen, eine Methode, die man zu Zeiten der Hexenjagden nur zu gerne angewandt hatte, um die Schuld von verdächtigen Frauen, Männern und selbst Kindern festzustellen, die man der Hexerei und dunkler Magie zu überführen versuchte.
    Man zerrte die schreiende und keifende Keeza an Armen und Haaren zum Markplatz des Dorfes, wo die Frauen bereits Fackeln entzündet und einen Bottich mit heißem Wasser gefüllt hatten. Ein goldener Ring wurde in das kochende Wasser geworfen – nach den Aufzeichnungen meines Freundes zu urteilen der Ring des Dorfältesten, wie es auch in den finsteren Zeitaltern der Scheiterhaufen Brauch gewesen war.
    Keeza wurde mit Schlägen und wüsten Beschimpfungen dazu getrieben, jenen goldenen Ring mit bloßer Hand aus dem dampfenden Wasser zu nehmen. Ihre Schreie hallten schauerlich von den schwarzen Felswänden der Berge wider und ließen die ersten Dorfbewohner an ihrem Handeln zweifeln.
    Keeza packte den kleinen Ring und schleuderte ihn wimmernd und dem Wahnsinn nahe in die Luft, während ein jeder ihren qualmenden und zischenden Arm im Schein der Fackeln sehen konnte. Die aufgesprungene Haut und das kochende Blut, das zäh aus den Wunden hervorquoll und die harte Erde des Marktplatzes tränkte, war ein Anblick, den niemand der Umherstehenden so schnell in seinem Leben vergessen konnte. Noch viele Jahre nach der öffentlichen Vorführung der alten Frau wurde von diesem entsetzlichen Anblick berichtet. Und es gab in späteren Jahren nicht wenige, die jene scheußliche Zeremonie verurteilten, auch wenn sie schließlich doch noch zum gewünschten Erfolg geführt hatte.
    Sofort nachdem die arme Keeza ihren entstellten Arm aus dem Trog mit heißem Wasser gezogen und den unseligen Ring von sich gestoßen hatte, war sie von zwei kräftigen Burschen gepackt und in die Stube des Baders gezerrt worden, der ihren Arm mit einem Kräuterbalsam behandelt und einer Leinenbinde versehen hatte. Dabei hatte die alte Keeza noch immer geschrien und die wüstesten Flüche und Verunglimpfungen gegen alle im Dorf, einschließlich des Baders, ausgestoßen. Dann hatte man die Alte in ihre Hütte zurückgeschickt, und ein jeder war schweigend und nachdenklich in die eigene Stube zurückgekehrt, nachdem man die Feuer am Marktplatz gelöscht und Arc´s Hill wieder der Dunkelheit übergeben hatte.
    Nach jener unsäglichen Nacht hatte niemand mehr ein Wort über die alte Frau verloren. Auch nicht über das kochende und dampfende Blut und die dunklen Schwären an ihrem Arm; ebenso wenig über den fiebrigen Wahn in ihren Augen.

    Am frühen Abend ging ich hinunter zu Rufus Paxton und bat ihn um ein einfaches Abendessen. Er führte mich in ein angrenzendes Zimmer, in dem vier kleine Tische mit jeweils drei Stühlen standen. Auf den Tischen lagen weiße, mit Blumenstickereien versehene Decken, darauf standen Kerzen in antik wirkenden, matt angelaufenen Ständern.
    Paxton zündete die Kerze auf meinem Tisch an und verabschiedete sich dann in die Küche seiner

Weitere Kostenlose Bücher