Diabolos (German Edition)
einer Sekunde in eisiges Wasser verwandelte. »Ich hoffe, es ist kein Problem, wenn ich das Zimmer für längere Zeit beanspruche.«
Paxton zeigte sein emotionsloses Lächeln und schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, keine Sorge. Außer Ihnen wohnt zurzeit nur eine ältere Dame in meiner Pension. Im Herbst ist es immer sehr ruhig in Arc´s Hill.«
Ich bedankte mich bei Paxton und dachte über seine letzten Worte nach, während ich die Treppe in den ersten Stock hinaufging. Arc´s Hill schien mir kein Ort, in dem es nur ruhig war; vielmehr hatte ich den Eindruck, als sei das Städtchen schon vor langer Zeit verlassen worden …
Zimmer 7 war ein kleines Mansardenzimmer mit schrägen Wänden und einem winzigen Fenster, durch welches das Tageslicht seinen Weg nur spärlich in die Stube fand. Obwohl es noch nicht Nachmittag war, musste ich bereits das Licht einschalten, was die Dunkelheit in dem Zimmer jedoch nicht zu bändigen vermochte.
Die kleine Stube war sehr spartanisch eingerichtet, entbehrte jedoch nicht eines gewissen ländlichen Charmes, der bei Stadtmenschen durchaus auf Gegenliebe stoßen konnte.
Ein wuchtiger Schrank aus massivem Holz mit eisernen Beschlägen und grotesken, aus dunklem Holz geschnittenen Teufelsfratzen, welche auf den beiden Frontecken des Schrankes thronten. Dazu ein schlichter Tisch mit zwei Stühlen, der unter dem Fenster stand und auf dem ein schwarzes Buch – wahrscheinlich eine Bibel – lag. Direkt hinter der Tür befand sich ein einfaches, jedoch bequem anmutendes Bett, auf das ich als erstes meinen Koffer legte.
Ich war nicht nach Arc´s Hill gekommen, um etwaige Urlaubstage zu genießen. Auch sah ich meine Reise an diesen entlegenen Ort nicht als Flucht aus dem trostlosen Einheitstrott von London oder um einige wertvolle Tage der Geißel meiner Arbeit zu entfliehen, obwohl ich letzteres mit Sicherheit in nächster Zeit nötig haben würde. Nein, vielmehr war ich auf Empfehlung meines geschätzten Freundes Mark Raymond an diesen Ort gekommen, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein schien.
Während ich meinen Koffer auspackte und meine Sachen in den alten Schrank legte – wobei mich die beiden geschnitzten Dämonen aus ihren leblosen Augen unverhohlen zu beobachten schienen – dachte ich über jene Geschichte nach, die mir Mark voller Enthusiasmus erzählte und die mich schließlich bis in dieses ärmlich eingerichtete Mansardenzimmer geführt hatte.
Ich hatte oft und lange über Marks atemberaubende Geschichte geschmunzelt und mir dadurch mit Sicherheit den Unmut meines Kollegen und Freundes zugezogen, auch wenn dieser sich nie etwas hatte anmerken lassen. Doch jetzt, nachdem ich die leblose Luft von Arc´s Hill geschmeckt und die seltsame Kälte der Berge auf meiner Haut gespürt hatte, fand ich keinen Grund mehr, weiterhin über die alte Legende zu lächeln, die mir Mark vor einigen Tagen nahe gebracht hatte …
Ich weiß nicht zu sagen, wie mein Freund an all jene Mythen und Mären gelangte, die selbst heute in modernen Zeiten noch die Welt bevölkerten, jedoch von den meisten als Narretei oder Hirngespinste abgetan wurden. Mark stöberte diese Sagen auf, in jedem noch so entlegenen Winkel der Erde, ergriff sie bei ihrem unsichtbaren und oft auch unscheinbaren Schopf und umschlang mit seinen Händen so lange ihre marode Seele, bis er zum Ursprung – der Wurzel – jeder Legende vorgestoßen war.
Seine Praktiken interessierten mich nicht. Und auch nicht, dass ihn viele unserer Freunde und Partner für verrückt und pervertiert hielten. Was mich an ihm faszinierte, waren einzig und allein die Ergebnisse, die er mir nach all seinen Mühen lieferte und die mich letztendlich zu dem gemacht hatten, was ich war: einem weitgehend anerkannten Schriftsteller auf dem Gebiet längst vergessener Kulte und Riten, wenn dies auch nur in gewissen mystischen Kreisen der Fall war. Jene sich selbst zu ernst nehmenden Schriftsteller, die nach dem Bedürfnis der durchschnittlichen Leserschaft schrieben und ihr Augenmerk auf Liebesromane oder Thriller legten, drängten mich durch arrogantes Auftreten und anmaßende Äußerungen nur allzu gerne an den Rand ihrer Zunft.
In meiner Passion als Schriftsteller für meine eigene kleine Leserschaft war ich nun in diesem belanglosen Zimmer in Paxtons Pension gelandet und hielt einige handgeschriebene Seiten meines Mitarbeiters in der Hand, die ich mir im trüben Zwielicht zum wiederholten Male durchlas.
Laut Mark Raymonds Aufzeichnungen – und
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