Diabolos (German Edition)
Pension, wo er mir Eier mit Kartoffeln zubereiten wollte. Als er die Tür zur Küche hinter sich schloss, blieb ich allein in dieser merkwürdigen Stille zurück.
Mein Tisch stand am Fenster und so konnte ich durch trostlos herabhängende, weiß-graue Gardinen sehen, wie sich ein trüber Tag langsam dem Ende näherte. Dicke Wolken waren aufgezogen und kündeten von Regen, der den Ort gewiss in der Nacht heimsuchen würde. Die Straße vor dem Fenster wirkte verwaist, die kahlen Baumskelette im Garten auf der anderen Straßenseite glichen erstarrten, scheußlichen Gespenstern, die ihre Klauen in Krämpfen dem Himmel entgegenstreckten. Der ganze Ort wirkte tot und verlassen, als hätte sich ein dichtes, niederdrückendes Tuch des Vergessens über die Gassen und Häuser gelegt. Fast hatte ich den Eindruck, als betrachtete ich durch das Fenster das morbide Gemälde eines entmutigten und entarteten Künstlers, der all seine Ängste und Phobien in sein Machwerk gelegt hatte.
Der Anblick dieses seelenlosen Ortes, von dem mich lediglich die schlichte, kalte Scheibe des Fensters trennte, ließ mich schaudern, und so nahm ich Marks Notizen hervor und breitete sie auf dem Tisch vor mir aus. Der flackernde Schein der Kerze warf einen milden Schimmer auf das Papier, als ich weiterlas …
Auch wenn die düsteren Zeiten der Hexenverfolgungen und dem Schänden von Frauen und sogar kleinen Kindern viele Jahre zuvor ein Ende gefunden hatten, so besaß man in dem kleinen Ort Arc´s Hill vor über zweihundert Jahren dennoch Aufzeichnungen aus jenen unmenschlichen Zeiten. Seien es nun Niederschriften der Kirche, die in den Kellern unter dem schlichten Gotteshaus in robusten und verschlossenen Schränken verwahrt wurden, oder aber die persönlichen Aufzeichnungen jener Bewohner von Arc´s Hill, deren Vorfahren einst selbst an jenen unheiligen Ketzereien teilgenommen hatten und deren Erbe man streng verschlossen in Truhen unter den Betten oder unter dem Fußboden der Wohnstuben verbarg.
In derartigen Abfassungen stand vermerkt, mit welchen Methoden man einst die Schuld einer Hexe bewiesen und sie dem Verbund mit dunklen Mächten und dem Teufel überführt hatte. Auch war in den Schriften aus der alten Zeit von der Wasserprobe die Rede und von einundzwanzig Tagen, die man warten musste, bevor man einer Hexe ihre infame Schuld nachweisen konnte. Diese besagten einundzwanzig Tage – drei lange Wochen – warteten die Menschen in Arc´s Hill, ehe sie sich in einer kalten Vollmondnacht erneut auf den Weg zur Hütte der alten Keeza machten.
Seit jener unseligen Nacht, in der man das alte Weib auf den Markplatz geführt und sie ihren Arm im Bottich mit siedendem Wasser verbrannt hatte, war Keeza im Dorf nicht mehr gesehen worden. Die Hohngesänge der Kinder waren verstummt und schon bald machte das Gerücht die Runde, die Alte sei an ihren Verletzungen dahingeschieden. Nicht zuletzt wurden diese Vermutungen durch die Tatsache genährt, dass man die altersschwache Katze der Frau des Öfteren still, fast leblos, vor der Schwelle der heruntergekommenen Hütte liegen sah.
Gerede und Mutmaßungen machten die Runde, während die Männer des Dorfes festen Schrittes auf die Kate zuschritten. Es gab nicht wenige unter ihnen, die inständig hofften, dass die alte Vettel noch unter den Lebenden weilte. Keeza lieferte die perfekte Unterhaltung, und wäre sie nun einfach dahingeschieden, ohne für das Wohlergehen der Frauen und Männer von Arc´s Hill zu sorgen, so hätte man dies der alten Frau noch in ihrem Tode als Eingeständnis der Hexerei ausgelegt.
Doch das Weib war längst nicht an seinen Verletzungen verstorben, wie einige mutige Blicke durch die schmutzigen Fenster der kläglichen Hütte darlegten. Keeza saß in ihrer Wohnstube, die sich auch am hellen Tage in fast völliger Dunkelheit befand, und starrte ausdruckslos vor sich in die Luft.
Und so zerschlugen in der Nacht des einundzwanzigsten Tages zwei kräftige Burschen die Holzpforte von Keezas Hütte, packen das Weib wie bereits etliche Tage zuvor an ihren ausgemergelten Armen und Beinen und zerrten sie wie eine Strohpuppe hinter sich her zum Markplatz des Dorfes.
In dieser Nacht schrie Keeza nicht. Wortlos und mit Augen, die erloschen schienen, ließ sie die schaurige Prozedur über sich ergehen.
Die beiden Männer warfen sie roh und ungeschlacht in den Staub und forderten dann den Bader des Dorfes, jenen Mann, der Keezas Wunden nach der Wasserprobe mit Balsam und Stoffen versehen
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