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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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versehene Mansardenzimmer – verlor seine Beschaffenheit, die Konturen verschwammen in dichtem, chaotischem Nebel, dessen Wirbel sich meines Verstandes zu bemächtigen drohten. Irgendetwas zog mich fort von dem Ort, an dem ich mich befinden musste – jenes heruntergekommene, spartanisch eingerichtete Zimmer in der schäbigen Pension des Rufus Paxton.
    Es wurde kalt um mich herum. Mein Leib wurde von eisigen Händen liebkost, etwas glitt feucht über mein Gesicht, meine Hände, meinen Nacken. Dann kamen die Geräusche. Geräusche, die ich kannte, die sich jedoch so grauenerregend anhörten, dass mir schwindelte.
    Die Geräusche kamen von weit her, als lägen undenkbare Welten zwischen mir und jenem Ort, zu dem ich gezogen wurde. Sie wurden lauter. Und dann setzte das Begreifen ein. Es war kein Traum, kein Dämmerzustand.
    Es regnete.
    Kalte Tropfen stachen wie feinste Nadelstiche auf der Haut. Die Schmerzen waren real. Es waren keine Schmerzen, wie man sie aus Träumen kennt, die nie die Intensität der Wirklichkeit erreichten. Ich konnte den salzigen Regen auf meinen Lippen schmecken, abstoßend und widerwärtig. Die eisige Berührung eines stummen Windes schürte ureigene Ängste in mir.
    Als ich die Augen öffnete, starrte ich auf glänzende, moosbefleckte Pflastersteine. Um mich herum ragten die schwarzen Steinwände zweier windschiefer, dem langsamen Zerfall preisgegebenen Häuser auf. Der Regen trommelte einen gespenstischen Rhythmus, sammelte sich in dunklen, schmutzigen Pfützen.
    Ich befand mich wieder in jener finsteren, engen Gasse, in deren Schlucht ich bereits in der ersten Nacht in Arc´s Hill getragen wurde: ein steinerner, zeitloser, von Gott verfluchter Sarg.
    Der Himmel war dunkel, verdeckt von tief hängenden, schwarzen Wolkenmassen, welche die Gasse in eine fast greifbare Finsternis stürzten. Plötzlich erklang das schauerliche Kichern hinter mir. Ich fuhr herum und presste mich mit dem Rücken gegen die grobe, feuchte Hauswand.
    Dort, am Ende der Gasse, wo sich eine bizarre, gotteslästerliche Landschaft gegen das Dunkel abzeichnete, stand die alte Frau. Ein schwarzer Dämon, starr und leblos.
    Ihr verächtliches Kichern erfüllte meine Gedanken wie giftiges, brackiges Wasser. Ich presste meine Hände gegen die Schläfen und versuchte die Augen zu schließen, diesem Alptraum zu entfliehen und zurückzukehren in das düstere Mansardenzimmer der Pension. Doch mein Blick war willenlos auf den schwarzen, buckligen Schatten gerichtet.
    Jetzt bewegte die Alte sich. Langsam floss der finstere Leib auf mich zu, verschmolz mit den Schatten der fürchterlichen Gasse. Ihr Kichern bannte mich, schrecklich und von einer Kehle ausgestoßen, die nichts Menschliches an sich hatte. Keine Kreatur, die jemals Gottes Erde bevölkert hatte, konnte derart niedere und grauenerregende Laute erzeugen.
    Die Alte bewegte sich mit alptraumhafter Gleichmäßigkeit auf mich zu, bis ihre schwarze Gestalt nur wenige Schritte vor mir stehen blieb. Ein finsterer Schatten vor einer finsteren Nacht. Der widerwärtige Gestank nach brennendem Fleisch und sengendem Haar erfüllte die Nachtluft. Ich presste meinen Körper schmerzhaft gegen den kalten Stein der Giebelwand.
    »Gib sie mir …« Eine Stimme, so uralt und kalt wie die ersten Kreaturen, die einst die Erde bevölkert haben mochten. »Deine Kinder … du trägst sie in dir …«
    Ich presste beide Fäuste gegen die Schläfen. Doch die Stimme hatte sich unbarmherzig Zugang zu meinen Verstand verschafft. In meinem betäubten Denken flammten für Bruchteile von Sekunden die Gesichter meiner kleinen Mädchen auf. Meine Lippen formten stumme Worte … Schreie.
    »Erinnerung ist Liebe … in deiner Liebe trägst du ihre Seelen …«
    Aus welchen Abgründen tiefster Verdammnis konnten derartige Worte an die Oberfläche der Welt steigen? Welcher Schoß der Hölle beherbergte den Geist der alten Keeza?
    »Gib mir ihre Seelen … gib mir deine Gedanken …«
    Meine Beine verloren ihr Leben. Ich sackte zusammen, fiel in kaltes, stinkendes Wasser.
    »… auf ewig …«
    Ich sah die dunkle Gruft, die den verbrannten Leib der alten Vettel festhielt. Ich hörte ihre Stimme, die nichts Menschliches an sich hatte. Voller Hass und kalt wie die unheilige Erde, in die man die Reste der armen Kreatur einst verscharrt hatte.
    »… meine Kinder …«
    Etwas zerrte erbarmungslos an mir. In meinem Denken zerbrach etwas. Das Gefühl lebendig auseinandergerissen zu werden war horrend und ließ mich

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