Diabolos (German Edition)
Sumo-Wrestler. Bumm-baba-bumm-baba! Haubold bricht der Schweiß aus. Was tun, was tun?
Er entscheidet sich für eine Bratpfanne und ein Fleischermesser. Gusseisen und kalter Stahl. Die Sumo-Bullen zucken nicht mal mit der Wimper.
»Geht weg, geht weg!«, zischt Haubold und zerschneidet mit dem Messer die Luft.
Die Muskelpakete kommen näher. Ein richtiger Griff und die brechen mir das Genick wie eine Nussschale , denkt er, als er deren zu Krallen verformte Hände sieht. Er schluckt, weicht zurück.
Hinter ihm wird die Schwingtür aufgeschlagen. Finger verkrallen sich in seinem Haar, kriegen sein Jackett zu fassen, den Arm. Irgendwie kann sich Haubold befreien. Er wirbelt herum und schwingt das Messer. Mit Erfolg. Schmerzensschreie und Blut. Die Getroffenen weichen zurück, der Rest geht auf Distanz – »Ich zerschneide jedem einzelnen von euch Irren das Gesicht, wenn ihr mich nicht gehen lässt!« – und Haubold begeht einen Fehler.
Er weicht zurück – und landet direkt in den Armen der Sumo-Muskelpakete. Sie brechen ihm nicht das Genick. Dafür entreißen sie ihm Pfanne und Messer. Nehmen ihn in die Mangel. Er kann sich nicht mehr bewegen. Die Küche fliegt an ihm vorbei, dann die Auslage, dann die Kasse … und irgendwann landet er mit dem Rücken auf einem der Tische; Arme und Beine fixiert von den Händen des Muskeltrios.
Das Antlitz des Fernsehpredigers erscheint in seinem Blickfeld. Er wirkt traurig. Enttäuscht. Frustriert. Er hat ´ne Macke. Das haben sie alle.
»Andreas, Andreas, Andreas«, säuselt dieser.
Woher kennt der meinen Vornamen?
»Warum machst du es dir so schwer? Warum machst du es mir so schwer?«
»Sagen Sie Ihren Affen, dass Sie mich loslassen sollen!«, kreischt Haubold.
Der Prediger geht nicht darauf ein. »Begreifst du es denn noch immer nicht? Es gibt einen Grund, weshalb du hier bist. Weshalb ihr alle hier seid!«
Haubold hebt den Kopf. Eine Winzigkeit. Er kann die Sehnen quietschen hören. Seine Birne muss eine Tonne wiegen.
Das Gefolge des Predigers – die Quasi-Doppelgänger, die Jünger? – sehen jetzt aus wie die Insassen einer “Geschlossenen“ beim Ausflug: riesengroße Comic-Augen, dämlich-debiles Grinsen, verzücktes Stöhnen – total durchgeknallt.
»Weshalb … bin ich denn hier, du … verdammtes Arschloch?«, presst Haubold hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Spielt es denn überhaupt eine Rolle?
Der Prediger schenkt ihm einen von diesen Du-weißt-es-ja-nicht-besser-Schmunzlern. Er legt den Kopf zur Seite, beugt sich tiefer. Haubold riecht … gar nichts. Kein After Shave, keinen Schweiß oder den vagen Ansatz von Tabak oder Mundgeruch. Nichts.
»Armer, armer Andreas«, säuselt der Mann in Weiß und streichelt ihm über das Haar. Haubold hält die Luft an, als er die überraschend weichen Lippen des anderen auf seiner Stirn spürt.
»Hmm«, gurrt dieser daraufhin und schließt die Augen. »Du schmeckst genau wie ich es erwartet habe. Deine Verzweiflung, deine Niedergeschlagenheit – sie quellen dir aus jeder Pore. Wie auch deine Todessehnsucht.«
»Todessehnsucht?«, wiederholt Haubold. Seine Stimme schlägt Purzelbäume. »Was soll der Quatsch?«
»Ist dir wirklich noch nicht in den Sinn gekommen, dass deine Faszination für sämtliche Spielarten des Exitus nichts anderes ist als Hilferufe deiner Seele; das unbändige Verlangen, diesem traurigen und sinnlosen Dasein ein Ende zu bereiten und an einem besseren, schöneren Ort noch einmal von vorne anzufangen?«
Die Worte des Predigers sind wie Säure. Sie brennen sich in Haubolds Verstand. Er hat Recht , jammert ein Teil seines Verstands, während ihn der andere aufhalten will: Hör nicht auf ihn! Um Gottes Willen, tu das nicht! Was er sagt, ist falsch! Dein Dasein ist nicht traurig und sinnlos! Es ist –
Ja, was? Aufregend, interessant, leidenschaftlich? Er ist ein geschiedener Mann. Hat so gut wie keine Freunde. Sein Leben ist die Arbeit. Das einzige, was ihm noch geblieben ist – und was er zugleich so sehr verabscheut …
Heiße Tränen steigen in Haubolds Augen auf. Seine Lippen beben. Auf einmal schämt er sich. Weil er sich vom Prediger hat verführen lassen. Und weil jedes Wort des Mannes stimmt.
»Sieh dich um«, fährt der Mann in Weiß fort. »Die Menschen rings um dich sind keine Fremden. Es sind Brüder! Sie alle haben sich hier eingefunden, um sich endlich den ihnen auferlegten Ketten zu entledigen! Es ist kein Zufall, dass sie sich alle ausgerechnet an diesen Ort
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