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Diabolos (German Edition)

Diabolos (German Edition)

Titel: Diabolos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: torsten scheib , Herbert Blaser
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liegt der eigentliche Rasthof. Seine sechseckige Form hat etwas von einem Karussell, fehlen nur die hübschen Holzpferde und die Fahne auf dem Dach. Unmittelbar daneben: noch mehr Sitzgelegenheiten. Und Aussichtsferngläser. Natürlich. Damit man tagsüber einen nicht gerade preisgünstigen Blick ins besagte Nahetal werfen kann.
    Auf einmal klickt es hinter Haubolds Stirn. Nahetal – natürlich! Dieser Flecken ist ein beliebter Treffpunkt für Selbstmörder. Entweder springen sie gleich dort vorne in die Tiefe oder von der anschließenden Brücke. Wie die Lemminge. Davon hat Haubold natürlich auch gelesen. Aber was sind gedruckte Wörter verglichen mit der Realität? Er wäre wirklich gerne mal dabei, wenn sich einer von diesen Lebensmüden mit einem Sprung von dieser Welt verabschiedet.
    Aber zuerst brauche ich Schlaf.
    Haubold erschreckt, als ihm bewusst wird, wie lange er schon auf den Beinen ist. In zwei Stunden wird es ein ganzer Tag sein. Und gleich morgen Mittag wird er in Freiburg erwartet. Das Leben eines Handelsvertreters. Er bringt seinen Sitz in eine senkrechte Position, lässt sich fallen, löst sein zerknittertes Jackett vom Haken und macht eine provisorische Decke daraus.
    »Welches Leben?«, murmelt er und dreht sich zur Seite.
    Das Knacken des Motors und die Klänge der vorbeifahrenden Fahrzeuge sind wie ein Schlaflied. Dankbar lässt er sich in den bodenlosen Abgrund fallen. Immer tiefer und tiefer –
    Was?
    Er schlägt die Augen auf. Dreht sich nach links.
    Draußen wendet sich gerade eine Gestalt von der Fahrertür ab und schlurft weiter.
    Haubolds Hinterkopf fängt zu kitzeln an. Hat der gerade in meinen Wagen gestarrt? Dann bemerkt er das Zäpfchen der Autoverriegelung. Es ist nicht zurückgesunken. Der Unbekannte hätte sich mit Leichtigkeit Zugriff verschaffen und ihm den Schädel einschlagen können.
    Auch davon hat Haubold gelesen. Und die entsprechenden Bilder gesehen. Blut schießt in seine Wangen, Adrenalin in seine Blutbahnen.
    Er schnappt sich die Wagenschlüssel von der Ablage. Sein Daumen liegt bereits auf der Wagenverriegelung, als sich ein weiteres primäres Bedürfnis meldet: Er muss dringend pinkeln.
    Das kann nicht wahr sein , denkt Haubold und schält sich ins Jackett. Das Pochen in seinem Schritt wird immer unangenehmer. Kühle Nachtluft liebkost ihn, als er aussteigt. Von der Ablage schnappt er sich noch schnell sein Portemonnaie. Soll er auch noch das Handy …? Eher nicht. Er muss zwar ständig erreichbar sein, aber um kurz vor drei Uhr morgens wird sich wohl kaum jemand nach den aktuellen Konditionen für Befestigungstechnik erkundigen. Obwohl …
    Er lässt es auf der Ablage zurück. Die Scheinwerfer blinzeln ein-, zweimal, als er die Verriegelung aktiviert. Als er sich in Bewegung setzen will, bemerkt er die Gestalt von vorhin. Scheint sich um eine männliche Variante des Homo Sapiens zu handeln. Mit schlurfenden Schritten bringt er den Parkplatz hinter sich. Sein Gang hat was Zombiehaftes.
    Wäre es nicht cool, wenn ihn jetzt ein 40-Tonner erwischen würde? Auch diese Vorstellung hat was. Haubold würde gerne mal sehen, wenn sich ein menschlicher Körper in eine organische Piñata verwandeln und ihren Inhalt meterweit verspritzen würde. Flatsch! Wie der reife Aknepickel am Kinn eines Teenagers. Haubolds rechter Mundwinkel zuckt nach oben.
    Inzwischen steht der Fremde neben einem der übervollen Papierkörbe und scheint mit sich selbst zu ringen: Backsteinabort oder Raststättenklo?
    Wenn der in die Raststätte geht, nehme ich das andere , beschließt Haubold – nur um daraufhin ein leises »Scheiße!« zu zischen, als sich der andere nach links wendet. Offenbar meint es das Schicksal doch nicht so gut mit ihm.
    Ungelenk macht er den ersten Schritt. Als er über die Schulter blickt, entdeckt er den Wagen des anderen. Haubold lacht auf. Der fährt das gleiche Auto. Sogar die Wagenfarbe – silbergrau – scheint identisch zu sein. Ein Schriftzug scheint sich über die Seite zu ziehen. Erleichterung breitet sich in Haubold aus. Ein Leidensgenosse . Von dem hat er nichts zu befürchten.
    Darum »Bye-Bye« Backsteinklo, und »Hallo« zivilisierte Sanitäreinrichtungen.
    Es riecht nach verbranntem Kaffee, Speisefett und altem Schweiß als Haubold die Raststätte betritt. Der Anblick ist ihm wohlbekannt. Die PVC-Tische und Stühle, die Sitzecken mit ihren blutroten Garnituren aus Kunstleder, die Selbstbedienungstheke im hinteren Teil, das Nachtprogramm eines Oldie-Senders,

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