Diabolus
zu sagen. . .« Strathmore verstummte. Charturkian verstand. Seine Zeit war abgelaufen. Ein Diagnoseprogramm?, murmelte Charturkian vor sich hin, während er wütend in die Sys-Sec-Abteilung zurücktrottete. Die wollen dich wohl verarschen! Eine Schleifenfunktion, an der drei Millionen Prozessoren sechzehn Stunden lang herumknacken! Charturkian überlegte, ob er seinen Abteilungsleiter anrufen sollte. Verdammtes Kryptographenpack! Von Computertechnik keine Ahnung! Der Diensteid ging ihm durch den Kopf, den er zu Beginn seiner Anstellung in der Sys-Sec-Abteilung geleistet hatte. Er hatte gelobt, nach besten Kräften Können, Wissen und Instinkt zum Schutz der Milliardeninvestition der NSA einzusetzen. Instinkt! Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass das kein vermaledeites Diagnoseprogramm ist! Das sagt einem doch schon der Instinkt! Charturkian stapfte trotzig zu seinem Terminal und rief alles auf, was er an Systemüberwachungs- Software auf Lager hatte. Mein lieber Commander, Ihr Spielzeug ist in Gefahr!, schimpfte er vor sich hin. Mein Instinkt ist Ihnen nicht seriös genug? Ich werd's Ihnen beweisen!
KAPITEL 20
La Clinica de Sanidad Pública war eigentlich eine zweckentfremdete Volksschule. Das lang gestreckte einstöckige Backsteingebäude mit großen Fenstern und rostigen Kinderschaukeln im Hof hatte mit der landläufigen Vorstellung von einem Krankenhaus wenig zu tun. Becker stieg die bröckelnden Stufen hinauf. Drinnen war es düster und laut. Das Wartezimmer bestand aus einer Reihe von Klappstühlen, die in einem schmalen und endlos langen Korridor herumstanden. In einem hölzernen Bock klemmte ein Pappschild mit der Aufschrift OFICINA und einem Pfeil, der den Korridor hinunterwies. Becker ging den spärlich beleuchteten Flur hinunter. Er kam sich vor wie in der Szenerie eines drittklassigen Horrorfilms. Es roch nach Urin, und auf den letzten zwölf bis fünfzehn Metern war auch noch der letzte Rest der Beleuchtung kaputt. Seine Wahrnehmung reduzierte sich auf schemenhafte Silhouetten -eine blutende Frau. . . ein heulendes Pärchen. . . ein betendes kleines Mädchen. Becker hatte das Ende des Korridors erreicht. Links war eine angelehnte Tür. Er stieß sie auf. Der Raum war vollkommen leer bis auf eine nackte Greisin, die mit ihrem Nachtgeschirr kämpfte. Na prächtig! Becker schloss die Tür. Wo zum Teufel ist die Aufnahme? Der Korridor machte einen Knick. Becker hörte laute Stimmen. Er folgte dem Geschrei und gelangte zu einer Milchglastür, hinter der ein Streit in Gang zu sein schien. Zögernd drückte er die Tür auf. Die Aufnahme. Totales Chaos. Wie schon befürchtet. Drängelnd, schreiend und gestikulierend standen etwa zehn Personen an. Eine einzige Schwester saß hinter dem Empfangstresen und versuchte, der zeternden Patienten Herr zu werden. Spanien war nicht gerade für zügige Abfertigung bekannt. Bis Becker die Entlassungspapiere des Kanadiers zu Gesicht bekam, konnte er sich hier vermutlich die ganze Nacht die Beine in den Bauch stehen. Er stand unschlüssig zwischen Tür und Angel und überlegte, was er machen sollte. Gab es keine bessere Möglichkeit?
»¡Con permiso!«, schrie ein Pfleger, der im Eiltempo eine Krankenbahre herbeischob. Becker fuhr herum und sprang aus dem Weg.
»¿Donde esta el teléfono?«, rief er dem bereits wieder entschwindenden Pfleger hinterher. Ohne das Tempo im Geringsten zu verringern, deutete der Mann auf eine Schwingtür und war schon um die Ecke verschwunden. Becker ging zu der Tür und trat durch die wippenden Flügel. Vor ihm lag ein riesiger Saal - die ehemalige Turnhalle. Der blassgrüne Boden verschwamm unter den summenden Leuchtstoffröhren vor seinen Augen. An der Wand hing ein schlapper Basketballkorb an seinem Brett. Ein paar Dutzend Patienten lagen auf niedrigen, willkürlich über den Raum verteilten Feldbetten. In der hintersten Ecke hing unter einer blind gewordenen Anzeigetafel ein alter Münzfernsprecher an der Wand. Becker konnte nur hoffen, dass er noch funktionierte. In der Tasche wühlend, ging er darauf zu. Er fand das Wechselgeld vom Taxi - gerade genug für drei Ortsgespräche. Becker hob den Hörer von der Gabel und wählte die Auskunft. Dreißig Sekunden später hatte er die Nummer der Aufnahme dieser Klinik. Weltweit schien es für öffentliche Dienststellen eine allgemeinverbindliche Regel zu geben: Ein Telefon darf nicht unbeantwortet klingeln! Stets wurde sofort abgehoben und alles andere stehen und liegen
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