Diabolus
gelassen, gleichgültig, wie viele Leute auf ihre Abfertigung warteten. Becker wählte die sechsstellige Nummer. Die Aufnahme der Klinik würde umgehend mit ihm sprechen. Heute war bestimmt nur ein einziger Kanadier mit gebrochenem Handgelenk und Gehirnerschütterung eingeliefert worden. Die Unterlagen mussten leicht zu finden sein. Becker rechnete zwar damit, dass man einem Unbekannten nur ungern den Namen des Patienten und die Entlassungsadresse nennen würde, aber er hatte einen Plan. Das Telefon begann zu klingeln. Beckers Erwartung, dass man nach längstens fünf Klingelzeichen abheben würde, wurde herb enttäuscht. Es läutete neunzehn Mal.
»¡Clínica de Sanidad Pública!«, bellte die Stimme einer aufgebrachten Schwester aus dem Hörer.
»Hier spricht David Becker«, sagte Becker auf Spanisch mit schwerem frankokanadischem Akzent.
»Ich bin vom kanadischen Konsulat. Sie haben heute einen unserer Staatsbürger versorgt.
Ich hätte gern seine Personalien, damit das Konsulat die Behandlungskosten übernehmen kann.«
»Sehr schön«, antwortete die Schwester.
»Ich schicke Ihrem Konsulat gleich am Montag die Rechnung zu.«
»Es ist leider unerlässlich, dass ich sie sofort bekomme«, drängelte Becker.
»Unmöglich«, sagte die Schwester, »wir haben unheimlich viel zu tun.«
»Es handelt sich leider um eine außergewöhnlich dringliche Angelegenheit«, sagte Becker und bemühte sich um einen offiziellen Tonfall.
»Der Mann hatte ein gebrochenes Handgelenk und eine Kopfverletzung. Er ist im Laufe des heutigen Vormittags von Ihnen versorgt worden. Seine Papiere müssten noch ganz obenauf liegen.« Becker hatte seinem Akzent eine noch penetrantere Färbung gegeben. Sein Spanisch war gerade noch verständlich genug, um sein Anliegen vorzutragen, andererseits schon so miserabel, dass es der Schwester auf die Nerven gehen musste. Leute, denen man auf die Nerven ging, ließen oft fünf gerade sein, nur um Ruhe zu haben. Nicht so diese Schwester. Sie warf ihm ein paar Grobheiten an den Kopf, beschimpfte ihn als eingebildeten Amerikaner und schmiss den Hörer hin. Stirnrunzelnd legte Becker den Hörer wieder auf die Gabel. Fehlanzeige. Der Gedanke, womöglich stundenlang anstehen zu müssen, behagte ihm gar nicht. Die Uhr tickte. Der alte Kanadier konnte inzwischen sonstwo sein, möglicherweise bereits auf der Heimreise nach Kanada, und vielleicht hatte er den Ring sogar verkauft. Becker hatte nicht die Zeit, stundenlang Schlange zu stehen. Entschlossen griff er wieder zum Telefon und wählte die Nummer noch einmal. Den Hörer ans Ohr gepresst, lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand. Es begann zu klingeln. Einmal. . . zweimal. . . dreimal. . . Ein plötzlicher Adrenalinstoß jagte durch seinen Körper. Er legte den Hörer auf die Gabel zurück. In maßlosem Erstaunen glotzte er stumm in die Halle. Ein älterer Mann mit einem Stapel schmuddeliger Kissen im Rücken lag direkt vor ihm auf einem Feldbett. Sein Handgelenk steckte in einem frischen weißen Gipsverband.
KAPITEL 21
Der Amerikaner am anderen Ende von Tokugen Numatakas Privatanschluss schien es eilig zu haben.
»Mr Numataka, ich habe nur einen Augenblick Zeit.«
»Gut. Ich darf wohl annehmen, dass Sie inzwischen über beide Schlüssel verfügen.«
»Es wird eine kleine Verzögerung geben.«
»Das ist inakzeptabel!«, zischte Numataka.
»Sie haben gesagt, bis zum Ende des heutigen Tages seien beide Schlüssel in Ihrem Besitz!«
»Es gibt gewisse Schwierigkeiten.«
»Ist Tankado noch nicht ausgeschaltet?«
»Oh doch«, sagte die Stimme.
»Mein Mann hat ihn liquidiert, aber leider den Key nicht bergen können. Tankado hat ihn kurz vor seinem Tod fortgegeben. An einen Touristen.«
»Das ist unerhört!«, brüllte Numataka.
»Wie kommen Sie dazu, mir die exklusiven. . .«
»Beruhigen Sie sich«, sagte der Amerikaner.
»Sie werden Ihre exklusiven Rechte bekommen. Das garantiere ich Ihnen. Diabolus wird Ihnen gehören, sobald der fehlende Schlüssel geborgen ist.«
»Aber er könnte inzwischen kopiert worden sein!«
»Jeder, der den Key zu sehen bekommt, wird eliminiert.« Ein langes Schweigen entstand. Numataka ergriff schließlich das Wort.
»Wo ist der Key jetzt?«
»Für Sie ist nur von Interesse, dass er gefunden werden wird.«
»Was gibt Ihnen diese Gewissheit?«
»Weil ich nicht als Einziger danach suche. Der amerikanische Geheimdienst hat von dem fehlenden Schlüssel Wind bekommen. Aus nahe
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