Diadem von den Sternen
ihrer Kraft stieß sie nach ihm, und er krachte gegen die Wand, das rutschige Stroh wirkte wie Rollen unter seinem Körper. Rutschend und gleitend, geblendet von den Tränen in ihren Augen, krallte sie sich vorwärts, hastete rasend schnell durch das Stroh, hin zur Leiter.
Mit einem zornigen Ausruf sprang ihr Vajd nach; seine dünne, starke Hand schloß sich um ihren Arm. Mehrere Minuten lang kämpften sie in angespannter, keuchender Stille gegeneinander. Sie senkte ihre Zähne in seinen Arm, und er schlug sie. Und während sie kämpfte, weinte sie, der Schmerz in ihr war kaum zu ertragen.
Irgendwann drückte Vajd sie mit dem Gewicht seines Körpers nieder, seinen Unterarm drückte er über ihre Kehle, und das Blutgerinnsel, das sie mit ihrem Biß verursacht hatte, rann über ihren Hals. Zorn versteifte sein Gesicht zu einer strengen Maske.
Plötzlich war sie innen. „Nein, Vajd“, flüsterte sie. „Laß mich los. Bitte, laß mich los.“ Sie schloß ihre Augen und entspannte ihren Körper. Nach einer Minute fühlte sie, wie sich seine straffen Muskeln lockerten. Der Druck seines Armes wich, und sie fühlte seine Hand sanft über ihr Gesicht streichen, ihr Haar zurückschieben, ihre Augen, ihre Lippen berühren. „Es stimmt nicht, Leyta.“ Seine Stimme war so sanft und zärtlich. „Nein. Ich war ein verwirrtes Kind. Das ist alles.“
Wieder fühlte sie seine Fingerspitzen, die Spinnenspuren über ihr Gesicht zogen, Wärme zurücklassend. „Nicht Shareem. Dich. Immer.“ Seine Hände bewegten sich über sie, und das Drängen ihres Körpers trieb alles andere hinaus, an die Ränder ihres Bewußtseins.
Lange Zeit lagen sie ineinander verschlungen da. Aab tauchte unter den Rand des Fensters.
Das plötzliche Dunkelwerden des Heubodens weckte Aleytys aus ihrer träumerischen Trägheit. Sie drehte ihren Kopf herum, um Vajd anzusehen. Sein Gesicht schien voller Frieden zu sein, und er sah Jahre jünger aus, wie er so neben ihr lag. Das schwache Licht tarnte die Lachfältchen an seinen Augen- und Mundwinkeln. In seinem Haar klebte Stroh, dünne Locken waren schweißnaß an seine Schläfen geklatscht. Zärtlichkeit war ein warmer Strom in ihr. „Ich wünschte …“ murmelte sie. „Ich wünschte, wir könnten ewig so liegenblieben.“ Sie sah zum dunklen Fenster mit seinem Sternenfunkeln hinauf. Fast Monduntergang, dachte sie. Eigentlich sollte ich zurückgehen. Als sie sich unruhig bewegte, knisterte und knackte das Stroh unter ihr. Vajds Lider hoben sich. Er seufzte und streckte sich. „Leyta?“
„Mhhmm.“
Er schaute zum Fenster, dann setzte er sich eilig auf. „Monduntergang!“
„Ich weiß!“
„Du mußt gehen. Wenn Qumri dich wieder ertappt …“
„Soll sie doch.“
„Unterschätze diesen Haß nicht, mein Liebes. Er hatte soviel Zeit zu wachsen wie du. Sie wird dir die Haut abziehen lassen.“
Sie rieb ihre Hände an ihren Armen auf und ab, wodurch der angenehme Glanz, der ihren Körper erhellt hatte, zu Asche erstarb.
„Ai-Jahann. Es gibt einfach keine Chance … Ich muß aus diesem Tal rauskommen.“
„Ich weiß. Besser sogar als du, Leyta. Ich kenne den Atash nautavallud.“ Er rutschte in die Ecke zurück und grub im Stroh.
„Hier. Dies ist das Buch deiner Mutter. Ich habe es dir mitgebracht.“
Sie nahm den abgenutzten Band und untersuchte ihn neugierig. „Du meinst, sie hat geplant, daß dies alles geschehen sollte?“
Er spreizte seine Finger und schüttelte den Kopf. „Ich wußte nie, was hinter ihrer Stirn vorging.“
Sie steckte das Buch in ihren Ärmel, so daß es in der Tasche ruhte, die Teil des Ärmelumschlages war. Dann neigte sie ihren Kopf und betrachtete ihn. Sie kicherte. „Du siehst aus wie ein völlig erschöpfter Satyr, mein Liebling. Dieses Stroh in deinem Haar … Laß mich …“ Sie zupfte das Heu aus seinen zerwühlten Locken, erneut entzückt über das Gefühl seines seidigen Haars.
Er grinste sie an. „Müßtest dich selbst sehen, Muklis.“
Unten schnaubte ein Pferd und bewegte sich unruhig in seiner Box.
„Die Dämmerung naht“, sagte Aleytys langsam. Mit einem Seufzer wankte sie auf die Füße. „Besser, wir gehen.“
„Leyta. Aymi. Leyta!“ Twanits aufgeregte Stimme kreiste in dem Nebel, der ihr Gehirn betäubte. Kleine, kräftige Hände schüttelten sie heftig; sie stöhnte und schlug schwach in die Luft.
„Wach auf, Leyta. Wach auf.“
„Geh weg“, murmelte Aleytys. Wellen der Müdigkeit schwappten über ihren Kopf hinweg,
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