Diadem von den Sternen
Blut. Was würden die Häuser denken? Wie kann ich den Mard gegenübertreten?“
„Mach dir nicht zu viele Gedanken.“ Ihre Stimme war sanft, gurrend, verlockend. „Du willst sie loswerden. Sie ist wie eine Bombe in deinem Haus. Die Mard werden dich nicht verdammen, sie werden dich dafür segnen, daß du dich der Gefahr, die sie darstellt, entledigst. Vertraue Aschla.“
„Chalak …“
„Was ist er schon? Du hast es selbst hundertmal gesagt: nichts!“
„Er ist mein Sohn.“
„Nichts!“
Eine Hand legte sich auf Aleytys’ Schulter! Sie verschluckte einen Schrei und richtete sich langsam auf. Ihr Herz klopfte hoch in ihrer Kehle; sie drehte sich um, damit sie den Mann ansehen konnte, der neben ihr stand. „Chalak“, hauchte sie.
Er legte einen Finger auf seine Lippen, dann zeigte er den Flur entlang. Sie nickte ihm zu und trippelte hinter ihm her. Neben ihrer Schlafkammertür wartete er auf sie. „Darf ich eintreten?“
„Sei willkommen, Abru Sar.“ Sie schluckte hastig und ging an ihm vorbei, um sich auf das Fußende des Bettes zu setzen.
Er trat ein und zog die Tür hinter sich zu. „Nun, Leyta?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Nun, Bruder?“
„Lauscher hören selten angenehme Neuigkeiten.“
„Ja, aber sie finden Dinge heraus, die sie wissen müssen.“
„Was willst du mit dem anfangen, was du gehört hast?“
„Weißt du, was ich gehört habe?“
„Ein wenig.“
„Sag es mir.“
„Was?“ Er verschränkte seine Arme vor seiner Brust und lächelte sie ernst an. „Wirst du mir dann zuhören?“
„Ja.“ Sie klopfte mit ihrer Hand auf die Kissen neben sich und verformte die Decke zu einer Reihe enger Furchen. Sie starrte darauf. „Was ist das Atash Nau-Tavallud?“ fragte sie.
Das Geräusch kräftig eingezogenen Atems ließ ihren Kopf hochrucken. Er sah grimmig aus. „Das habe ich nicht mitbekommen“, sagte er. „Ich hatte gehofft … Bist du sicher, daß er das sagte?“
„Sie sagte es. Qumri.“ Ihre Brust fühlte sich seltsam beengt an, und so streckte sie die Arme aus und sog die Luft tief ein, dann ließ sie sie wieder herausplatzen. „Atashi – das ist ein altes Wort für Feuer.“
„Aschla ist die dunkle Tochter“, sagte er langsam. Sein kühles, reserviertes Gesicht war plötzlich voller Schmerz. „Leyta …“
„Nicht“, sagte sie eilig. „Sag es mir.“
„Es ist ein altes Ritual, aus vielen Schrecken geboren, angewandt, wenn Furcht stärker ist als Vernunft, als Menschlichkeit.“ Er schaute auf seine starken, kurzfingrigen Hände hinunter. „Die Isan Dana leiten das Ritual ein. Sie versammeln sich und bitten. Aschla um Erlaubnis, das Atash Nau-Tavallud abhalten, das Wadi vom Ruh Kharab, dem Dämon, der es verpestet, läutern zu dürfen. Sie rufen den Sha’ir, den Khohin und die Shura’. Während jene Wache stehen, vollführen Sha’ir und Khohin bestimmte geheime Zeremonien über dem Kadaver eines geschlachteten Hengstes. Daraufhin wird, als Ergebnis dieser Zeremonien, eine Person aus der Menge des Tal-Volkes gewählt.“ Seine Stimme wurde heiser. Er räusperte sich und sah über ihren Kopf hinweg zum Fenster.
„Bitte, erzähle zu Ende.“
„Darf ich mich setzen?“
„Abru Sar, setz dich. Ich bitte dich um Verzeihung, weil ich diese Höflichkeit vergaß. Wirst du jetzt, bitte, fortfahren, Bruder?“
Er lachte und tätschelte ihre Hand. „Leyta, Leyta, du warst schon immer die Ungeduldige. Wenn du etwas willst, dann sofort. Ich glaube, jetzt war dein allererstes Wort.“
„Jetzt ist ein gutes Wort. Sie wählen also eine Person aus. Was geschieht dann?“ Sie erschauerte. „Du verstehst: Ich habe ein persönliches Interesse daran.“
Mit einem müden Seufzer sagte er: „Es fällt mir schwer, Leyta. Ich kann nicht gegen den Madar reden, aber es fällt mir schwer, den Atash-Ritus zu akzeptieren.“ Ganz plötzlich wurde seine Stimme härter. „Und ich möchte nicht daran teilhaben.“
Sie starrte ihn überrascht an.
Er stand auf und begann, am Fußende des Bettes vorbei, auf und ab zu schreiten; er trat ihr fast auf die Füße. „Nachdem die Person ausgewählt ist, errichten die Khohin und der Sha’ir im Finjan Topas eigenhändig einen ’Asa, schichten Bündel von Chub, Hizum und Himeh darum auf und befeuchten es mit drei Handvoll Qua. Vor der gesamten Wadi-Bevölkerung – und nicht einer darf sich fernhalten, weder Sterbende noch Frauen in den Wehen – wird der oder die Ausgewählte in einer Prozession zum ’Asa
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