Diagnose negativ
Ankunft des Arztes nicht überhören konnte. Übelkeit überfiel mich. Es war Zeit!
Storch öffnete die Mannschleuse der Zelle. Helles Sonnenlicht flutete durch die aufgleitende Innentür.
»Aha, die Helden schlafen wohl schon, wie?« dröhnte eine Stimme auf. Aus den Augenwinkeln erkannte ich Mutti Petters. Natürlich, sie war der Arzt vom Dienst.
Mit einiger Mühe öffnete ich die Spezialverschlüsse meines linken Ärmels. Ohne überflüssige Worte zu verlieren, setzte sie die Düse der Hochdruckspritze an. Das Medikament wurde schmerzlos in meine Blutbahn gesprüht.
»Sitzen bleiben«, ordnete sie resolut an. Dann wandte sie sich dem Astronauten zu.
Nach einigen Minuten fühlte ich mich besser. Ihr gutmütiges Frauengesicht schälte sich aus den vor meinen Augen wallenden Nebeln heraus.
»Hallo, Doc!« flüsterte ich. »Wie vertragen Sie die Höhenluft?«
»Ich stand bereits in Unterdruckkammern, als Sie noch in den Windeln lagen«, belehrte mich die korpulente Ärztin. »Darf man sich erkundigen, warum eine alte Frau mit einem irrsinnig gewordenen Fahrer über das Gelände rasen muß? Ich kann mich erinnern, Ihnen vor einer knappen halben Stunde die Injektion gegeben zu haben. Warum wird das wieder umgeworfen?«
Mutti Petters war sehr direkt, so direkt, wie ich es niemals sein durfte. Ich sah sie unschuldig an.
»Keine Ahnung, Doc. Befehl von oben. Der Start wird verschoben. Ist Ihr Wagen noch hier?«
»Wenn ich einigermaßen heil aus dieser Rakete herauskommen sollte, so werde ich mich hüten, dem Rennfahrer nochmals in die Finger zu fallen. Lieber wandere ich durch die Gila-Wüste. Darf ich um Ihren Arm bitten, junger Mann?«
Ich half ihr durch die enge Mannschleuse. Draußen ließ sie einige handfeste Bemerkungen über die lebensgefährlichen Eigenschaften eines sogenannten Aufzuges hören. Sie schaukelte in dem Korb zirka dreißig Meter nach unten. Anschließend war ich an der Reihe.
Hinten erschienen bereits schwere Schlepper. Also sollte die Rakete mitsamt dem fahrbaren Starttisch wieder in die Halle gezogen werden.
Dr. Petters schien mein Stirnrunzeln richtig zu deuten. Natürlich hatte sie erkannt, daß ich eine Einsatzmaske trug und wußte daher, was gespielt wurde.
»Nehmen Sie den Wagen. Ich warte. Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, so schicken Sie mir einen Hubschrauber. Es sind rund zwölf Kilometer bis zum Hauptquartier.«
Ich versprach es. Oben lugte Leutnant Storch aus der Schleuse. Ich winkte ihm zu. Dann fuhr der schwere Turbowagen vor.
»Major HC-9?« erkundigte sich der uniformierte Fahrer. Er gehörte zum Sicherheitsdienst des Platzes.
»Bin ich. Okay, fahren Sie los.«
»Colonel Torpentouf erwartet Sie, Sir. Ihr Gepäck?«
»Bleibt vorläufig hier.«
Er warf noch einen Blick auf meinen leichten Raumanzug, den ich noch nicht abgelegt hatte. Die aufheulende Gasturbine im Heck des Wagens riß uns mit kreischenden Reifen über die Betonpiste.
Weiter links ragten die silbern glitzernden Türme der dickbauchigen Transportraketen in den Himmel. Es waren fünf Schiffe, die dreihundert Mann des GWA-Raumkorps zur Raumstation bringen sollten. Dort warteten bereits die beiden Mondtransporter.
Nach einem Wink von mir drosselte der Fahrer die hohe Geschwindigkeit.
Die Spezialsoldaten waren vor den Raumschiffen angetreten. Die Männer standen in voller Ausrüstung in der glühenden Sonne. Bei diesen Temperaturen wäre ein untrainierter Mensch wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit ohnmächtig geworden. Wir schrieben den 28. Juni 2006. Nach den Aussagen unserer Meteorologen sollte es einen sehr heißen Sommer geben.
Den dreihundert Auserwählten
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