Diagnose negativ
die im Haltegriff eingebaute Mikrokamera dichter vor mein Gesicht. Torpentouf konnte jetzt nur noch die obere Hälfte meines Kopfes auf seinem Bildschirm sehen.
Ich gab möglichst freundschaftlich zurück:
»Hören Sie, Mike, so geht es nicht. Ich muß in spätestens fünf Stunden auf dem Mond sein. Lassen Sie die Transporter noch eine Viertelstunde warten. Außerdem …« Ich runzelte unwillkürlich die Stirn, »außerdem sollten Sie sich einmal die Parade ansehen. Ehe die Leute eingestiegen und zum Abflug vorbereitet sind, vergeht noch eine gute halbe Stunde. Wir starten in fünf Minuten, okay?«
Torpentoufs Haltung drückte Bedauern aus.
»Mann, machen Sie es mir doch nicht so schwer. Sie dürfen noch nicht starten, verstehen Sie?«
Sein Blick war eindringlich. Ich schloß die bereits geöffneten Lippen. Etwas stimmte nicht auf dem Gila-Space-Center.
Ich zwang mich zu einem Lächeln. Da lagen wir nun auf den Andrucklagern eines modernen Kurierschiffes, die Reaktionskammer-Vorwärmung lief bereits, die Automatik zeigte Grünwert – und dann das!
Für meine Begriffe hatte Torpentouf das Wörtchen »dürfen« etwas zu eigenartig betont. Es sah ganz danach aus, als wäre das plötzliche Startverbot nicht seiner eigenen Initiative entsprungen. Offenbar wollte er über Sprechfunk keine näheren Erklärungen abgeben.
»Und jetzt, Sir?« fragte Storch.
»Mike, wir haben bereits unsere Kreislaufinjektionen erhalten«, gab ich durch. »Das Zeug beginnt zu wirken. Ich komme mir wie ein Luftballon vor. Bei hohen Gravo-Werten ist die künstlich gedämpfte Körperfunktion zwar sehr angenehm, was ich unter Normalverhältnissen aber nicht behaupten möchte. Wirklich Startverbot?«
Er nickte. Das von Hitze und Schweiß verquollene Gesicht hatte sich verändert. Es wirkte härter.
»Der Arzt ist unterwegs, öffnen Sie die Kabinenschleuse. Sie erhalten das Gegenmittel. Das wäre es wohl! Vielleicht kommen Sie einmal vorbei. Sie wissen ja, meine Klimaanlage scheint nicht zu funktionieren. Ich könnte einen geschickten Mechaniker gebrauchen.«
Oberst Torpentouf schaltete ab. Es war die seltsamste Unterhaltung, die ich je auf einem großen Raumflughafen geführt hatte.
Mit seinen letzten Worten hatte der Kommandant alles gesagt. Irgendwo brannte es. Irgendwo schien eine Klimaanlage in der Tat nicht einwandfrei zu funktionieren. Es war nur die Frage, wie viel oder wie wenig Torpentouf angedeutet hatte.
Storch wartete die Anweisung nicht ab. Seine Schaltungen erfolgten präzise. Das Arbeitsgeräusch des schweren Spaltstoffreaktors erstarb. Das Brummen des Thermoumformers verstummte in einem Rauschen. Das eben erst angelaufene Triebwerk des Mondbootes stand.
»Aussteigen, Storch«, sagte ich. »Tut mir leid, aber Sie werden wohl noch für einige Zeit beim Boot bleiben müssen.«
»Ärger, Sir?« erkundigte er sich.
Ich hob die Schultern an, soweit das unter den Anschnallgurten möglich war. Mit einem Griff löste ich die magnetischen Halterungen. Mein in Liegestellung geklapptes Konturlager glitt nach oben und verwandelte sich in einen Sessel. Ich stand auf.
Meine Beine schienen nicht mehr zum Körper zu gehören. Eine seltsame Müdigkeit wollte meinen Geist überlisten und mich in das hydropneumatische Wunderwerk des Konturlagers zurückziehen.
»Die Wirkung der Injektion!« dachte ich schläfrig. Mein Herz schlug langsam und schwer. Die Lungen schienen ihre Funktion vergessen zu haben. Fast war mir, als verzichteten sie freiwillig auf den erforderlichen Sauerstoff.
Draußen wurden Geräusche laut. Das Kreischen der stählernen Aufzugsschienen war so charakteristisch, daß man die
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