Diagnose zur Daemmerung
ich, als das Schweigen drückend wurde.
»Fast mein gesamtes Leben lang war ich entweder ein Arschloch oder ein Gauner. Da dachte ich mir, es sei langsam Zeit, etwas zurückzugeben. Außerdem habe ich jede Menge Geld gespart – das wird noch eine Weile reichen.«
Ich sah zu, wie die Stadt im Dunkeln an uns vorbeizog. »Wie alt wirst du am Siebzehnten?«
»Dreiunddreißig, falls ich das dann noch weiß.« Wir fuhren auf den Highway. »Was Dren da behauptet hat … war das wirklich Ti?«
»Ja …« Ich stieß frustriert die Luft aus. »Ich weiß nicht, was er war. Er kannte mich nicht mehr, und er hat sich auch ganz anders verhalten als sonst.«
»Wie lange geht das schon so?«
»Keine Ahnung. Neulich ist er bei mir vorbeigekommen, da war er noch ganz normal.« Ashers Finger verkrampften sich kurz. Hätte ich nicht gerade seine Hand gehalten, wäre mir das wahrscheinlich entgangen. Aber vielleicht interpretierte ich da auch zu viel rein, vielleicht wollte er einfach nur den Gang wechseln.
»Was ist mit ihm geschehen?«
»Er meinte, er sei in der Stadt, weil es hier jemanden gäbe, der ihn heilen und ihm die fehlende Hälfte seiner Seele zurückgeben könne, damit er endlich sterben kann. Irgendein großer Magier …«, fügte ich nachdenklich hinzu, dann zählte ich eins und eins zusammen. »Mist.«
»O ja.« Asher wechselte auf die Überholspur, und nun gab es wirklich nichts mehr zu sagen.
Als er auf dem Parkplatz vor meiner neuen Wohnung hielt, versuchte ich, möglichst unauffällig meine Hand aus seiner zu lösen, doch er hielt sie fest. »Warte.«
»Okay.« Ich drehte mich zu ihm um. Meinem Gehirn fiel es immer noch schwer, Ashers Persönlichkeit mit Hectors Körper zu verknüpfen. Saßen wir nun zum ersten Mal so zusammen im Auto, oder war es die gefühlt vierzigste Wiederholung? Er schluckte schwer, dann sagte er: »Es ist einfach schön, dass du wieder aufgetaucht bist, Edie. Das wollte ich dir schon lange mal sagen.«
»Ich freue mich auch über unser Wiedersehen, Asher«, versicherte ich ihm aufrichtig. »Ganz egal, wie du dabei aussiehst.« Ich ließ mich gegen die geschlossene Beifahrertür sinken. »Nachher rufe ich in der Klinik an und hinterlasse eine Nachricht für Catrina, in der ich sie um einen Rückruf bitte. Wenn sie sich meldet, werde ich ihr alles erzählen.«
»Klingt fair. Aber verrate ihr nichts von mir, von dem Ganzen hier. Und nenn mich weiter Hector. So ist es einfacher für mich.«
»Meinst du nicht, Luz hätte es verdient, zu wissen, womit sie es wirklich zu tun hat?«
»Sie weiß bereits, dass Montalvo ein Gestaltwandler ist. So wird er Adriana überhaupt erst erwischt haben, indem er sich als jemand ausgegeben hat, den sie kennt: Catrina, Luz oder mich. Wer weiß das schon? Und die Drei Kreuze wird es nicht irritieren, wenn er seine Fähigkeiten einsetzt, sie haben längt begriffen, dass er über Magie verfügt.«
»Meinst du nicht, Luz hätte Montalvos Quartier als allererstes durchsucht?«
»Du hast doch gesehen, wie sehr er Dren geschwächt hat. Vielleicht ist sie gar nicht nah genug rangekommen, um ihre Spur aufzunehmen?«
Was uns zu einem wichtigen Punkt brachte. »Wenn Montalvo so stark ist, dass sogar Vampire ihn fürchten und er die Heilige des Todes kontrollieren will – was sollen wir dann gegen ihn ausrichten?«
Asher zuckte mit den Schultern. »Diese Frage habe ich mir auch schon mehrfach gestellt. Es besteht die geringe Chance, dass ich mich mit ihm gut stellen könnte – aber ohne jede Garantie.«
Ich versuchte, mir andere Szenarien einfallen zu lassen, und schob in Gedanken die verschiedenen Spielfiguren über das Schachbrett. »Wenn Luz da allein reingeht, könnte sie getötet werden. Begleiten wir sie, erhöht das unsere Chancen zwar nur geringfügig, aber das ist besser als nichts.«
»Ich könnte uns reinbringen, dafür sorgen, dass Montalvos Wachsamkeit nachlässt – falls es klappt.«
Nachdenklich nickte ich. Das war kein besonders toller Plan, aber immer noch besser, als Luz allein reinstürmen zu lassen, damit sie anschließend Drens Platz auf dem Foltertisch einnahm.
»Wenn sie erfährt, was passiert ist, musst du unbedingt dafür sorgen, dass sie auf uns wartet. Sag Catrina, dass es überlebenswichtig ist, Luz nach Sonnenuntergang in der Festung der Reinas festzuhalten, bis wir kommen. Wenn es sein muss, behaupte einfach, du müsstest Jorgen mitbringen. Ich werde mich überrascht geben, wenn sie es mir bei der Arbeit erzählt, mich
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