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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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anrühren, misch ich mich da nicht ein. Das ist so eine Art stillschweigende Absprache.«
    »Aber in diesem Fall liegt der Verdacht vor, daß ein russischer Untertan getötet wurde«, erinnerte ihn Fandorin.
    »Das sagten Sie schon.« Lockstone nickte. »Und wissen Sie, was ich dazu meine? Blödsinn und Hirngespinste. Wenn Ihr Mister B. aus den Latschen gekippt ist, weil ihn ein Betrunkener mit dem Finger an den Hals getippt hat, dann war der Alte sowieso schon halbtot. Was ist denn das für ein Mord, zum Teufel? Ich werd Ihnen mal erzählen, was ein richtiger Mord ist. Bei uns in Buffalo Creek, da …«
    »Und wenn Blagolepow doch ermordet wurde?« unterbrach ihn Fandorin, der sich schon genug herzzereißende Geschichten aus der Kriminalgeschichte des Cowboystädtchens angehört hatte.
    »Tja, dann …« Der Sergeant kniff drohend die Augen zusammen. »Dann werden die Schlitzaugen dafür bezahlen. Wenn tatsächlich irgendwelche asiatischen Schweinereien dahinterstecken, dann werden sie’s bitter bereuen, daß sie die auf meinem Gebiet begangen haben. Vorletztes Jahr wurde auf der Ogonbashi-Brücke (und die, müssen Sie wissen, liegt außerhalb des Settlement) einfranzösischer Offizier erstochen. Ganz gemein von hinten. Ein Irrer, ein ehemaliger Samurai, er war wütend, weil seinesgleichen kein Schwert mehr tragen dürfen. Hier sind nämlich grundsätzlich an allem die Weißen schuld. Na, ich hab alle meine Jungs mobilisiert und mir den Hundesohn geschnappt – er hatte noch nicht mal das Blut vom Säbel gewischt. Was hat er mich angefleht, daß ich ihm erlaube, sich den Bauch aufzuschlitzen! Hat sogar geheult. Aber Pustekuchen! Ich hab ihn an einer Leine durch’s ganze Einheimischenviertel geschleift, extra für die Gelbhäute, und dann hab ich ihn an dieser Leine aufgeknüpft, ohne alle Umstände. Das gab natürlich Krach mit den Japsen. Sie hätten den Irren selber verurteilen müssen und ihm dann, wie das hier bei ihnen üblich ist, die Rübe abgehackt. Ha, von wegen! Wer sich an meinen Leuten vergeht, mit dem rechne ich lieber selber ab. Und wenn ich rauskriege, daß Ihr Landsmann nicht von allein in die Kiste gehüpft ist, sondern daß einer von den Japsen dabei nachgeholfen hat …« Lockstone ließ den Satz unvollendet und hieb vielsagend mit der Faust auf den Tisch.
    »Kennen Sie den Inspektor, der uns von der japanischen P-polizei zugeteilt wurde? Der Herr heißt Goemon Asagawa.«
    Fandorin sprach absichtlich korrekt über den Japaner, um dem Sergeant zu bedeuten, daß dessen Ausdrucksweise ihm mißfiel. Der Amerikaner schien zu begreifen.
    »Klar, den kenne ich. Er leitet das Revier auf der Carter street, das liegt in der Einheimischenstadt. Von allen Gelb… Von allen Japanern ist Go der Kompetenteste. Wir haben schon ein paarmal zusammengearbeitet, in gemischten Fällen, an denen Weiße und Schlitz… ich meine, Einheimische beteiligt waren. Ein blutjunger Bursche, noch keine dreißig, aber sehr erfahren. Er dient seit fünfzehn Jahren bei der Polizei.«
    »Wie ist das möglich?« fragte Fandorin erstaunt.
    »Er ist ein Yoriki von Geburt.«
    »Ein was?«
    »Ein Yoriki, das ist so was wie ein Reviercop. Unter den Shoguns, den früheren Herrschern, wurde ein Handwerk, ja, sogar ein Posten stets vom Vater auf den Sohn vererbt. War dein Papa zum Beispiel Wasserträger, dann hast auch du dein Leben lang Wasserfässer geschleppt. War dein Vater stellvertretender Chef der Feuerwehr, dann wurdest auch du Stellvertreter. Deshalb ist bei ihnen hier auch alles so verrottet – es hatte keinen Sinn, sich anzustrengen, wenn man sowieso nicht höher kam als sein Vater. Und Go stammt aus einem Yoriki-Geschlecht. Als sein Vater von einem Räuber getötet wurde, war der Junge gerade dreizehn. Aber Sitte ist Sitte – er schnallte sich zwei Säbel um, nahm einen Knüppel in die Hand und trat seinen Dienst an. Er hat mir erzählt, das erste Jahr hätte er den langen Säbel unterm Arm getragen, damit er nicht am Boden schleifte.«
    »Aber wie k-kann ein Junge die Ordnung in einem g-ganzen Revier aufrechterhalten?«
    »Bei denen hier geht das, denn die Japsen, die Japaner sehen weniger auf den Menschen als auf das Amt. Und Polizisten sind hier sehr geachtet – sie sind schließlich alle Samurai. Und außerdem, Rusty, bedenken Sie, ein Junge, der in einer Yoriki-Familie aufgewachsen ist, lernte das Polizeihandwerk von klein auf: einen Dieb fangen, einen Räuber entwaffnen und fesseln. Und wie geschickt sie mit dem

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