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Diamantene Kutsche

Diamantene Kutsche

Titel: Diamantene Kutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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ernsthaft und ausführlich. Er erklärte, gebürtige Samurai neigten von jeher zum Lesen und zum Selbststudium. Und bei den Polizisten sei der Hang zu Büchern besonders stark ausgeprägt, und das sei nützlich für den Dienst, aber schädlich für die Augen. Dennoch würde dieser Drang von der Obrigkeit allseits gefördert, denn heutzutage, im Zeitalter des Fortschritts, müßten die Vertreter der Macht gebildet sein, sonst verliere die Bevölkerung den Respekt vor ihnen, und mangelnder Respekt gegenüber der Macht sei verheerend für eine Gesellschaft.
    Nun dachte Fandorin, zähneklappernd und bis zu den Knien im Wasser, darüber nach, was für ein schlimmer Fehler es seitens der russischen Regierung gewesen war, die Gutsbesitzer nach der Bauernbefreiung nicht zu gesellschaftlichem Nutzen heranzuziehen. Damals hätte man die schreckliche Polizei – die ungebildet war und durch und durch korrupt – auseinanderjagen und statt dessen jungeAristokraten als Reviervorsteher und Polizisten in den Dienst stellen sollen. Was für eine wundervolle Idee – eine Polizei, die ihren Mitbürgern an Bildung und hohen Idealen überlegen ist, die Polizei als Vorbild! Es gab in Rußland so viele Müßiggänger mit edlem Gemüt und Gymnasialbildung! Sie vergeudeten ihr Leben ohne jeden Nutzen, gingen aus jugendlichem Idealismus und hitzigem Gefühlsüberschwang gar unter die Revolutionäre. Was für ein Schaden für den Staat und die Gesellschaft!
    Erst als Fandorin mit dem Kopf gegen einen rauhen Balken stieß, erwachte er aus seinen Träumereien. Adlige Schutzmänner, was für Phantastereien!
    Er schüttelte den Kopf, um den Schlaf zu vertreiben, und zog die Uhr aus der Tasche. Drei Minuten nach vier. Das Dunkel färbte sich langsam grau.
    Erst als der erste schüchterne Sonnenstrahl das dunkelblaue Wasser der Bucht streifte, war endgülitig klar, daß die Samurai aus Satsuma nicht kommen würden.
     
    Es scheint: Alles aus
    Und keine Hoffnung. Doch dann –
    Der erste Sonnenstrahl.

Das Herz der Mamushi
    Während sein Herr schlief, hatte Masa eine Menge wichtiger Dinge erledigt. Er mußte verantwortlich und überlegt vorgehen – schließlich begann man nicht jeden Tag das Leben ganz von vorn.
    Über die Gaijin wußte Masa wenig, über seinen Herrn überhaupt nichts, und deshalb war er natürlich befangen und hatte Angst, sich zu blamieren, aber er war durchdrungen von Eifer und Ergebenheit, und das war die Hauptsache.
    Shirota-san hatte ihm gestern bereits seine Pflichten erklärt: den Haushalt führen, Lebensmittel einkaufen, Essen kochen, die Kleider sauberhalten – kurz, dafür sorgen, daß es dem Herrn an nichts fehlte. Für die Ausgaben hatte Masa zwanzig Yen bekommen, außerdem seinen Lohn für einen Monat im voraus.
    Der Lohn war großzügig, und er verwendete ihn, wie es sich für einen treuen Diener gehörte, nämlich dafür, seinem Dienst auch äußerlich zu genügen.
    Der Yakuza mit dem Spitznamen Dachs war zusammen mit der Bande Chobei-gumi gestorben. Nun lebte in dessen Körper ein neuer Mensch, Shibata-san, nein, »Mister Masa«, und der mußte seinem Rang entsprechen.
    Als erstes ging Masa zum Barbier und ließ sich seinen mit Lack eingesprühten Zopf abrasieren. Das Ergebnis sah natürlich nicht sehr schön aus: oben war alles weiß und an den Seiten schwarz, wie die Glatze bei älteren Gaijin. Doch Masas Haare wuchsen unglaublich schnell, in zwei Tagen würden ihm Stoppeln gewachsen sein, in einem Monat ein wundervoller Borstenkopf, der seinen Träger sofort als einen modernen Mann von europäischer Kultur auswies. Nicht umsonst sang man in Tokio allenthalben:
     
    Schlägst du ein auf einen Kopf
    Mit hartlackiertem Zopf,
    Kündet dir ein dumpfer Ton:
    Ein rückständiger finstrer Tropf.
     
    Schlägst du ein auf einen Kopf
    Mit manierlich kurzem Schopf,
    Sagt ein heller Klang dir an:
    Ein lichter, fortschrittlicher Mann.
     
    Masa klopfte auf seinen frischgeschorenen Scheitel und war zufrieden. Bis die Haare nachgewachsen waren, konnte er einen Huttragen – er hatte für nur dreißig Sen bei einem Trödler einen ausgezeichneten, kaum abgewetzten Filzhut erstanden.
    Dort hatte er sich auch eingekleidet: ein Jackett, ein Hemd mit Manschetten, karierte Pantalons. Er hatte sogar einen Haufen Schuhe, Stiefel und Stiefeletten anprobiert, aber mit dem Schuhwerk der Gaijin wollte er noch warten – es war zu albern und unbequem, zudem dauerte das An- und Ausziehen so lange. Er blieb bei seinen Geta aus

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