Diamantene Kutsche
Angelegenheiten), sondern zur Untersuchung des Todes eines russischen Untertans.«
»Und ich werde der Gruppe des Konsuls den fähigsten meiner Leute zuteilen, er wird die Unterstützung durch die japanischen Behörden gewährleisten«, ergänzte Suga, ebenfalls auf Englisch. »Ich schwöre, Exzellenz, der Polizeischutz wird Sie nicht lange belästigen. Die Übeltäter werden binnen weniger Tage gefaßt sein.«
»Gut«, willigte Okubo widerstrebend ein. »Drei Tage werde ich es dulden.«
»Drei Tage könnten nicht reichen«, erklärte plötzlich Fandorin, der hinter den Staatsmännern stand. »Eine Woche.«
Bucharzew blickte sich entsetzt nach dem Mann um, der so eklatant gegen die Etikette verstieß; auch Suga und Doronin erstarrten, sie befürchteten offenbar, der Minister würde einen Wutausbruch bekommen und sie samt Leibwache zum Teufel schicken.
Doch Okubo sah Fandorin aufmerksam an und sagte: »Sie sind der Mann, dem die Leitung der Ermittlungen übertragen wurde? Gut, ich gebe Ihnen eine Woche. Aber keinen Tag mehr. Ich kann nicht zulassen, daß irgendwelche Tollköpfe meine Bewegungsfreiheiteinengen. Und nun, meine Herren, entschuldigen Sie mich bitte – ich muß mit dem britischen Konsul sprechen.«
Er nickte und entfernte sich.
»Das macht er absichtlich«, sagte Bucharzew mit saurer Miene auf Russisch. »Wegen des Gleichgewichts. Es wird keine Meldung in der ›Times‹ geben.«
Doch Suga übertönte ihn.
»Mister Fandorin, Sie sind großartig! Ich hätte nie gewagt, so mit Seiner Exzellenz zu sprechen. Eine ganze Woche – das ist wunderbar! Das heißt, der Herr Minister ist sich über die Ernsthaftigkeit der Gefahr im klaren. Bisher hat er eine Leibwache immer abgelehnt. Er vertraut auf das Schicksal. Er sagt oft: ›Wenn mein Land mich noch braucht, wird mir nichts passieren. Und wenn ich nicht mehr gebraucht werde, dann geschieht es mir recht.‹«
»Wie wollen wir die Ermittlungen organisieren, Herr General?« erkundigte sich Bucharzew geschäftig. »Welchen Ihrer Mitarbeiter werden Sie der Konsulatsgruppe zuteilen?«
Doch der Vize-Intendant wandte sich nicht an den Marineattaché, sondern an Fandorin.
»Ihr Chef sagte mir, Sie hätten früher bei der Polizei gearbeitet. Das ist sehr gut. Ich gebe Ihnen keinen Verwaltungsbeamten, sondern einen Inspektor – selbstverständlich jemanden, der Englisch spricht und sich in Yokohama auskennt. Aber ich muß Sie warnen: Die japanische Polizei hat kaum Ähnlichkeit mit der Polizei anderswo auf der Welt. Unsere Leute sind diensteifrig, zeigen aber wenig Eigeninitiative – sie waren früher alle Samurai, und ein Samurai wird von Kindesbeinen an nicht zum Denken erzogen, sondern zum Gehorchen. Viele hängen zu sehr an den alten Bräuchen und wollen sich nicht an Schußwaffen gewöhnen. Sie schießen unglaublich schlecht. Aber das macht nichts, mein Material mag schlecht bearbeitet sein, aber dafür ist es reines Gold, und zwar von höchster Qualität!« Suga sprach schnell und energisch undschwang dabei die Faust. »Gewiß, was die polizeiliche Ausbildung angeht, sind meine Samurai noch weit entfernt von britischen Constables und französischen Agents, aber dafür nehmen sie keine Schmiergelder, sind eifrig und lernwillig. Geben Sie uns ein wenig Zeit, und wir schaffen die beste Polizei der Welt!«
Diese leidenschaftliche Rede und auch der Polizeichef selbst gefielen Fandorin sehr. Wenn doch unsere Polizei von solchen Enthusiasten geleitet würde statt von den aufgeblasenen Herren im Polizeidepartement, dachte er. Besonders verblüffte ihn, daß die hiesigen Polizisten keine Schmiergelder nahmen. War das möglich, oder schwebte der japanische General in den Wolken?
Ein unerwartetes Ereignis verhinderte eine detaillierte Besprechung der künftigen Zusammenarbeit.
»Hi-hi-hi!« ertönte mehrstimmiges Frauenkreischen, so eindringlich, daß die vier Männer sich erstaunt umdrehten.
Don Tsurumaki rannte durch den Saal.
»Eine Überraschung!« rief er lachend und zeigte auf einen Vorhang vor einer Wand. Von dort kam das Kreischen.
Der Dirigent schwang verwegen den Taktstock, die Feuerwehrleute intonierten laut und holprig eine muntere Melodie, der Vorhang ging auf und enthüllte eine Reihe Mädchen in Spitzenröcken. Es waren Japanerinnen, kommandiert von einer langen, rothaarigen Französin.
»Mes poules, allez-hop! 3 « rief sie, und die Mädchen hoben die Röcke und warfen die Beine hoch.
»Ein Cancan!« lärmten die Gäste. »Ein echter
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